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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

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Heft 9
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Hausenstein, Wilhelm: Emil Preetorius
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https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0483

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gedehnte Allgemeingültigkeit der Satzbildwirkung ver-
bürgen. Er kultiviert die feine gesellschaftliche, die sehr
aristokratische Pedanterie des Symmetrischen. Er ordnet
Inserate — etwas wider den Geist individualistischer
Konkurrenzreklame — nach Motiven einer möglichst
kollektiven, möglichst organisierten Allgemeinwirkung
der Reklameseite. Es kommt ihm vor, dass er dabei an
die objektivste, fertigste Arabeske eines Ingres oder
eines Degas denkt. Seine Buchillustrationen sind in ihrer
Initiative natürlich persönlich. Aber das ist das Gleich-
gültigste daran. Sie suchen eine objektive Wirkung. In
der gezogenen Führung des zeichnerischen Schnörkels,
in der Deckung einer Fläche mit gleichmässig, glatt und
peinlich ausgebreitetem Schwarz, in der typographischen
Empfindsamkeit illustrativer Seiten, in ihrer leckeren
Kalligraphie und ihrem preziös höflichen Sentiment
liegt Anspruch auf einen überpersönlichen Formalismus.
Aber kollektivierter Stil entsteht nicht rein aus sich. Er
ist wohl etwas Umgrenztes; aber er ist mit einer Welt
privatester Empfindungen des Menschen und des Künst-
lers verknüpft. Die Dokumente dieser subjektiveren
Welt sind die lithographierten Mappenblätter und die
Handzeichnungen. Sie haben noch das Beunruhigende,
dass man der Öffentlichkeit nicht leicht bekennt, das Un-
gesichtete, das künstlerisch aufregt, das Unreservierte,
Ungesellschaftliche — im Gegensatz zu Dingen von
stärker objektivierter Form, die künstlerisch kühlen.
Diese persönlichen Dinge springen uns jählings an wie
die Reize einer pikant formulierten Frau. — Sie haben

die noch ungelöste Erotik, die mit feiner Schamlosigkeit,
mit langhinfliessender Laszivität oder mit schnellenden
pizzicati das augenblicklichste, unmittelbarste und per-
sönlichste Gefühl fasziniert. Allein wie bei den petits
maitres des Rokoko bleibt die entspannte Empfindung
dann mit einer Ausdauer bei den Publikationsaufgaben
des Illustrators, die dem sprichwörtlichen Fleiss der alten
Kupferstecher ähnlich ist. Dann entstehen Stunde um
Stunde die Illustrationen mit ihren additionellen For-
meln: Arbeiten, die den Fleiss der ruhig und bewusst
gelösten öffentlichen Kunstaufgabe darstellen. Ob die
Kraft des Künstlers zur Schaffung einer sehr weittragen-
den illustrativen Sitte geboren ist und wieweit sein indi-
viduelles Vermögen der Notwendigkeit eines objektiven
Formalismus gewachsen ist, die ihn sein überaus feinge-
bildeter, etwas zu intellektueller Geschmack empfinden
lässt — dies ist eine andere Frage. Die allgemeine Be-
deutung des Problems, das in Preetorius eine von vielen
Verkörperungen fand, bleibt interessant. Es ist merk-
würdig, dass solche Dialektik zwischen persönlichem und
Offiziellem in Künstlern besteht. Es ist auch gewiss,
dass die ins Persönliche gewandten Blätter des Künst-
lers die Logik ihres impressionistischen Stils und ihrer
differenzierten Wirkung mit einer Kultur geniessen, die
fein von dem sublimierten savoir vivre eines etwas kon-
servativ gestimmten Lebens erzählt. Hier wird die Kunst
zum Lebensakt — eine Funktion der Gesamtexistenz.
Und wie es sich nun auch mit Stil und Stil verhalten mag:
kann der Kunst etwas Besseres wiederfahren?



m & m















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EMIL PREETORIUS, ZEICHNUNG

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