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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

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Heft 10
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Ernst, Paul: Die Liebe des Flibustierflüstrers: Novelle
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https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0500

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und schwarze Pflaster auf die Augen geklebt." Einige behaupteten, dass man als
letztes von ihm gehört habe, vor langen Jahren, wie er nach England hatte zurück-
fahren wollen, dass die Matrosen ihn erkannt hatten, unter denen alte Elibustier
waren und nachts in seine Kajütte gekommen waren; ob die Geschichte gelogen
war, wusste man nicht 5 aber er sollte auf der Tonne gesessen haben mit den Edel-
steinen und dem Gold, das er den Flibustiern nach der Einnahme von Panama
gestohlen hatte, und um ihn standen sechs Tonnen mit Pulver, und in die eine
klopfte er seine brennende Pfeife aus. Der alte Kasten war in die Luft geflogen,
und so hatte wohl keiner Zeit gehabt, einem die Geschichte zu erzählen. Aber
die Seeleute denken, ein starker Glaube gehört zu ihrem Geschäft. „Der Bart wird
ihm wohl damals versengt sein", meinte der alte Reeder. „Man konnte seine zwei-
unddreissig Zähne hübsch zählen, sie waren alle da, und weiss wie Elfenbein, und
von der Nase waren ihm nur die Löcher geblieben, durch die konnte man ihm in
den Rachen hineinsehen." Ein junger Kerl meinte lachend, es gebe wohl so eine
Art Liebe, die einen so zurichten könne. Der alte Elibustier sah ihn strafend an
und sagte: „Wenn wir so etwas hatten, dann frassen wir vier Wochen lang Schild-
krötenfleisch, dann waren wir wieder wie eine Stange Silber."

Der Reeder fuhr fort: „Er hatte einen schmutzigen alten Juden als Führer,
der trug keine Hosen unter dem Kaftan, die haarigen Beine staken ihm unten
heraus. Aber er sorgte für ihn, wie die Amme für das Kind: hier ist ein Steinchen,
da ist ein Klötzchen, da kommt eine Herrschaft." Die andern lachten.

Im Hause des Reeders wohnte im Oberstock eine alte spanische Amerikanerin,
aus Panama, die etwas wirr war im Kopf. Sie war gelb wie eine Zitrone und hatte
einen Schnurrbart wie ein Ungar, aber zwei Augen rollten ihr im Gesicht wie
zwei glühende Kohlen, und eine Stimme hatte sie wie eine Geige, wenn sie sang.

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