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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

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Heft 12
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Burchard, Ludwig: Tagebuchnotizen Th. Chassériaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0612

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TH. CHASSERIAU, SUSANNE IM BADE (1839)

LOUVEE

kennt nichts als seine Leiden, man kann nicht
wissen ob andere sie auch gehabt haben, und man
muss nur sich vertrauen.

Die Natur studieren — nie daran vergessen!
Jeden Kopf, den man aus irgendeinem Grunde ge-
liebt und schön gefunden hat, wird, wiedergegeben
wie man ihn empfindet, etwas Originelles.

Ein Mädchen in einer Kirche, einsam betend
in der Nähe der Wand, nichts bei ihr als ihr
Schlagschatten; in die Bildecke gesetzt (Genua
1840).

Das Haar reich und über die Arme rollend, -
blond, obschon die Haare unten benetzt sind, und
sich um den Körper schlingen. Die Wasserperlen

fliessen hell und funkelnd über
seinen lilienweissen Rücken, ein
Leib, der dem Wasser entsteigt;
zu Füssen dieser beiden Ge-
stalten eine bewegte kleine Flut
darstellen, grün beim einen, blau
beim andern; ein Modell dafür
nehmen, es in der Natur sehen,
um daraus den entzückenden
Effekt abzunehmen, den dies Mo-
tiv geben soll.

Darandenken: eine originelle
Begabung ist sie schon bei einem
vorhanden, ist immer da, ohne
dass man nötig hätte sie zu suchen;
auch das Streben nach dem Wah-
ren so weit als möglich treiben,
natürlichsein, niemals also nervös;
häufig an die grossen Meister
denken und eingedenk sein, dass
auch die weniger starken, die aus
Verfallszeiten, vorzügliche Rat-
geber sind und immer Maler.
Bei meinen Gemälden mich aus-
schliesslich mit dem Gesamtein-
druck als Ton abgeben und sie
in der Farbgebung von neuem
malen, und in den Lasuren oder
sie in lebhaften Druckern malen,
um die stets notwendige Blüte
der Wahrheit frisch zu erhalten.
Niemals trocken oder deutsch
sein, sondern richtig Italienisch
oder Französisch, das heisst voll
Reiz und Vernunft. Aufpassen,
um die Töne der Stoffe herauszubekommen, ob
sich unter dem tatsächlichen Ton nicht noch ein
anderer daranter befindet, mit diesem beginnen um
zur Transparenz zu kommen. Dass die Form eher
über der Idee sei, als die Idee über der Form.
Immer die Idee der Schönheit festhalten, bei den
anderen aber nur das suchen, was die Natur,
die man hat, vervollständigt, statt von ihr abzu-
bringen.

Betrachtungen für immer: der grosse Charakter
kann niemals wirklich zustande kommen ohne
wirkliche Anregung der Natur, derart, dass er,
trotz origineller persönlicher und selbst tiefer Seiten,
nur dann zu einer Schönheit in der Kunst gelangt,
wenn er mit schlichtester und reinster Wahrheit

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