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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 12.1914

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Heft 7
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fr3P9

Monumente, und damit ist nun auch für Deutschland der
Erfolg dauernd gesichert. Wie er dann immer leben-
diger wird, wie er sich zum Kolorismus und Pleinair
hinwender, wie er, ganz spät, erst Ende der neunziger
Jahre sein Verhältnis zum französischen Impressionis-
mus, zuerst zu Degas, dann zu Manet findet, wie er
hierbei seine Malerei in demselben Maasse edler macht
in dem sie immer lebendiger wird, und wie er seit-
dem seine Stellung zur Natur und zum Objekt immer
mehr vertieft, dieser Werdegang und dieser ewige Ver-
jüngungsprozess wird dem aufmerksamen Leser des
Hanckeschen Buches durchaus klar und verständlich.

Soviel über das Kunsthistorische. Das Künstlerische
ist noch müheloser zu lesen, die Analysen der einzel-
nen Bilder sind wundervoll anschaulich, von einer Kraft
und Selbstverständlichkeit, die sie manchmal an Fro-
mentin heranrücken. Zwischendurch fallen höchst wert-
volle Bemerkungen, zum Beispiel über den Impressio-
nismus, sehr klar demonstriert an Bildern von Tizian
und von Frans Hals, über die Zeichnung, über Corot,
über van Gogh, über Porträtmalerei, über Liebermanns
Schriften. Kurz, der ganze Mensch und seine Kunst
in ihrem eigenen Charakter und im Verhältnis zur
Kunst anderer, tritt in vollster greifbarer Klarheit
heraus. Worin besteht das eigentliche Wesen dieser
Kunst? Hancke definiert es einmal kurz und wie ich
glaube sehr treffend. Er sagt, Liebermann gebe nicht
nur die Erscheinung, er umgehe sie, um die Emp-
findung, die er vor der Erscheinung hat, stärker und
energischer zum Ausdruck zu bringen. Diese Formel
ist, wie übrigens keine Formel, erschöpfend, aber sie
enthält das Wesentlichste.

Das Buch ist ansprechend und sehr lebendig ge-
schrieben, in den erzählenden und schildernden Teilen
von wohlthuender Einfachheit; manchmal vielleicht
etwas zu lebendig, mit zu vielen in Gedankenstriche
eingeklammerten Paranthesen. Die deduzierenden Teile
von glänzender Klarheit.

Wenn dem Referenten ein Wunsch für die zweite
Auflage gestattet ist, so möge es bei aller geziemenden
Bescheidenheit der sein: der Verfasser möchte das
letzte Kapitel, das Intermezzo „Mit Liebermann in
Amsterdam" umändern, das heisst in die Biographie
irgendwie mit hinein verarbeiten. So wie es dasteht
und wie es schon in „Kunst und Künstler" stand wirkt
es ein wenig deplaziert. Menschlich ist es durchaus
begreiflich, und man sieht, dies Kapitel hat die Liebe
und die Verehrung dem Verfasser diktiert, und nie-
mand wird ihm diese Gefühle verdenken, um so mehr
als viele, viele sie mit Recht teilen. Aber dennoch,
ich glaube das Kapitel passt nicht in ein Buch. Der
Held wird hier behandelt, als sei er ein bereits totes
Genie, während doch Liebermann heute auch ohne alle
anekdotische Züge so lebendig und so jung^ist, dass
die Welt nicht zu wissen braucht, wie viel Zigarren
er rauchen und wie viel Kunsthandlungen er an einem

Nächmittag besuchen kann und dass er 1912 Cezanne
nicht recht mochte und als Vierundsechzigjähriger auf
eine fahrende Elektrische aufspringt. Das interessiert
uns in gedruckter Form erst später, hoffentlich erst
endlos viel später. — Die Ausstattung des Buches ist
sehr schön, die vielen Abbildungen sind höchst inter-
essant zusammengestellt, vieles nie Gesehene ist dar-
unter, und die Reproduktionen sind ganz ausgezeichnet.

Ernst Steinmann: Die Porträtdarstellungen
des Michelangelo. Band III der römischen For-
schungen der Bibliotheca Hertziana. Leipzig 1913.
Klinckhardt und Biermann.

Die Michelangelo-Ikonographie war seit langem eine
verzweifelte Sache. Niemand wusste etwas Rechtes
davon, niemand mochte so recht heran, weil man das
Thema nur im weitesten Umfange behandeln konnte
und weil dieser weiteste Umfang wenig lohnend schien
— es giebt über ganz Europa zerstreut eine Unmenge
von Bildnissen Michelangelos, meistens von künstlerisch
sehr geringem Wert. Viele davon galten als authen-
tisch, ja als „einzig authentisch", das heisst nach dem
Leben angefertigt, fanden aber mit diesem Anspruch
wenig Glauben, und so blieb die Unsicherheit in jedem
Einzelfalle bestehen.

Ernst Steinmann, der gelehrte Verfasser der „Six-
tinischen Kapelle" und Autor mancher andrer dankens-
werter kunsthistorischer Forschungen, hatte, als er die-
ses Thema zu bearbeiten unternahm, die richtige Er-
kenntnis: das ganze Material musste erst einmal so
vollständig wie möglich in einem Katalog vereinigt und
mit Abbildungen publiziert werden; erst dann konnte
man an eine kritische Bearbeitung gehen.

Die Resultate dieser Doppelarbeit liegen nun in
diesem dritten Bande der römischen Forschungen vor,
der mit 127 Abbildungen auf prächtigen Tafeln alles
reproduziert, was auf das Thema Bezug hat und in
einem höchst sorgfältig gearbeiteten Catalogue raisonne
die einzelnen Objekte (Bilder, Zeichnungen, Stiche und
Skulpturen) behandelt. Das grösste Verdienst, neben
der umsichtigen und sicher höchst mühevollen Mate-
rialbeschaffung ist, dass von dem Doppelcharakter der
Arbeit keine Spuren mehr sichtbar sind, dass die kri-
tische Betrachtung nicht äusserlich neben dem zur An-
schauung gebrachten Material hergeht, sondern es rest-
los durchdringt.

Die wesentlichsten Thatsachen, die mir einwand-
frei fundamentiert scheinen, seien kurz erwähnt.

Unter den zahllosen Bildnissen, .die Michelangelos
Züge verewigen, haben nur ganz wenige den Anspruch
auf Authentizität. Einmal das nur in einer Kopie im
Louvre erhaltene Gemälde von Bugiardini, „Michel-
angelo im Turban", von dessen gleichfalls im Louvre
aufbewahrten Originalzeichnung Steinmann (mit Be-
renson) meint, sie stamme von Michelangelo selber, er
habe sie seinem Freunde B. für diesen Bildnisauftrag

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