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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 1
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Scheffler, Karl: Der Krieg
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0017

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geben. Er wird darthun, dass erst die Form da sein
muss, bevor die Norm gelten darf, dass die Form,
in der die Kraft und das Recht zum Typischen lebt,
aber langsam nur in einer ungeheuren nationalen
und individuellen Selbstvertiefung gewonnen werden
kann. Ich glaube, wir werden in allem Künstle-
rischen wieder einfacher werden; doch wird in
dieser Einfachheit mehr Reichtum und Fülle sein
als in all dem Aufwand, womit wir in den Friedens-
zeiten so oft geblendet worden sind.

Damit ist dann auch schon dem Vertrauen Aus-
druck gegeben, dass alle Narrheit der letzten Zeit,
alle aus der Langenweile des Geistes geborene
Ideologie des Expressionismus, des Kubismus und
Futurismus verschwinden wird wie der Staub von
den Blättern, wenn der Sturm die Kronen schüttelt.
Die Jugend wird aus diesem Kampf eine neue
Lebendigkeit heimbringen, neue Sinnlichkeit, neue
Gegenstände für ihre jetzt ratlose Idealität und
neue Anschauungskraft. Das Vergrübelte wird sich
verflüchtigen und nur das wahrhaft Entwicklungs-
fähige wird bleiben.

Dieser Krieg muss eine Schule des Talentes wer-
den. Denn indem der Idealismus sich erneuert,

muss sich wie von selbst die Kraft künstlerischer
Darstellung erneuern. Es ist noch stets so gewesen,
wenn sich nach blutigen Kriegen die Nation mit
mächtiger Anstrengung regenerierte, dass sich an
diesem leidenschaftlichen Wachstum das Geniale
entzündete, dass auf dem blutgedüngten Boden die
Ernten des Friedens nur um so reicher und viel-
fältiger wogten.

Lasst uns diesen Krieg darum segnen. Lasst
ihn uns als eine Gnade entgegennehmen. Es sei
uns ein Zeichen, dass der Weltgeist es gut mit uns
meint. Mag er ausgehen wie er will: ein Volk wie
das deutsche geht nicht zugrunde und auf jeden
Fall wird es neue Innerlichkeit, vertiefte Kultur und
neue Kraft zum Lebendigen gewinnen. Und wenn
sich das alles einst in schöne Kunst dann verwan-
delt, wird man erkennen, dass der Krieg, trotz-
dem er tötet und vernichtet, selbst etwas wie ein
Kunstwerk ist. Er ist ein Kunstwerk der Natur,
die den Tod nur will, um „viel Leben zu haben";
er ist die Katastrophe in den von lange vorbereiteten
Dramen der Geschichte, die im Lebenden Furcht
und Schrecken erregen, aber auch eine heilsame
Reinigung bewirken.

AD. MENZEL, HOLZSCHNITT AUS KUGLERS GESCHICHTE
FEIEDEICHS DES GROSSEN
 
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