DIE SIEGESGÖTTIN, EINEN STIER OPFERND. WEIHRELIEF, SECHSTES JAHRH. V. CHR.
GRIECHISCHE ORIGINALE IM ALTEN MUSEUM
ZU BERLIN
VON
BRUNO SCHRÖDER
Man mag es loben oder tadeln — seine Gründe
wird es haben, wenn Gelehrte und Kunst-
freunde bei ihrer Beschäftigung mit Werken aus ver-
gangenen Zeitläuften von dem gerade gegenwärtigen
Schaffen und seinen vorherrschenden Prinzipien ent-
scheidende Anregungen empfangen. Einseitige Be-
vorzugung oder Vernachlässigung einzelner Epochen
oder Richtungen ist allerdings dabei unvermeidlich
und macht es verständlich, wenn das klassische
Altertum in den letzten Jahrzehnten einen so
schweren Stand hatte. In der Zeit eines immer
folgerichtiger sich entwickelnden Naturalismus
musste eine Kunst zur Seite stehen, deren Haupt-
merkmale dichterischer Inhalt und harmonische
Schönheit sind, und wenn die Gegenwart sich in
immer stärkerer Auflösung der Form gefiel, so
konnte eine im allgemeinen so formenstrenge Kunst
wie die griechische nicht auf viel Anklang rechnen.
In der archäologischen Wissenschaft zwar wurde
rastlos und im vollen Bewusstsein von dem un-
GRIECHISCHE ORIGINALE IM ALTEN MUSEUM
ZU BERLIN
VON
BRUNO SCHRÖDER
Man mag es loben oder tadeln — seine Gründe
wird es haben, wenn Gelehrte und Kunst-
freunde bei ihrer Beschäftigung mit Werken aus ver-
gangenen Zeitläuften von dem gerade gegenwärtigen
Schaffen und seinen vorherrschenden Prinzipien ent-
scheidende Anregungen empfangen. Einseitige Be-
vorzugung oder Vernachlässigung einzelner Epochen
oder Richtungen ist allerdings dabei unvermeidlich
und macht es verständlich, wenn das klassische
Altertum in den letzten Jahrzehnten einen so
schweren Stand hatte. In der Zeit eines immer
folgerichtiger sich entwickelnden Naturalismus
musste eine Kunst zur Seite stehen, deren Haupt-
merkmale dichterischer Inhalt und harmonische
Schönheit sind, und wenn die Gegenwart sich in
immer stärkerer Auflösung der Form gefiel, so
konnte eine im allgemeinen so formenstrenge Kunst
wie die griechische nicht auf viel Anklang rechnen.
In der archäologischen Wissenschaft zwar wurde
rastlos und im vollen Bewusstsein von dem un-