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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 2
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Schröder, Bruno: Griechische Originale im alten Museum zu Berlin, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0096

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FRAUEN AUF DER FLUCHT. RÖMISCH. ZWEITES JAHRHUNDERT N. CHR.

ist ganz landschaftlich empfunden, in der Grund-
stimmung hellenistischen Reliefs verwandt, und doch
in der Form so ganz verschieden. Wer je unter der
Sonne Griechenlands über Land gereist oder gar
gewandert ist, weiss den Segen einer Quelle und
schattender Bäume zu würdigen. Wo Wasser aus
dem Boden tritt, da stellt sich auch Wiesengrün
und Baumwuchs ein; da rastet der Wanderer und
seine Dankbarkeit gilt den Göttern, die hier zu
Hause sind: er meint, sie vor sich zu sehen, den
Gott des Quells und die Nymphen, die unter den
Bäumen und in der Quellgrotte ihr Wesen treiben;
auch Hermes, der jugendliche Freund der Nymphen
und Pan, der Gott der freien Berglandschaft, stellen
sich ein. Und wenn der Abend das heisse Land
segnet, und Nebel um die Wiese und Bäume
weben, erfreuen sich Hermes und die Nymphen
am Reigentanz, Pan bläst die Musik und der Quell-
gott sieht dem Treiben zu. Das ist die Szene auf
unserem Relief. In weichem Schlenderschritt wan-
deln die vier Götter im Kreise herum, Pan und der
Quellgott sind zur Stelle und links steht der fromme
Stifter des Bildwerks, die Hand betend erhoben,
nicht zur Handlung gehörig, aber dem Künstler will-
kommen als Gegenstück zu der Gruppe rechts am
Bildrand und so die Szene eurhythmisch abgrenzend.
Welcher Kunstschule der Künstler angehörte, ist
klar ersichtlich: von der Malerei ist dieser Meister

ausgegangen; für den zeichnenden Stift sind diese
langgeschwungenen Falten erfunden, und am Tafel-
bild ist die strenge Komposition mit der reizvollen
paarweisen Ähnlichkeit der Bewegungen auspro-
biert. Alles Landschaftliche aber beschränkt sich
auf die Andeutung der Höhle, in der der stierlcibige
Gott steht; alles übrige ist durch die ganz persön-
lich vorgestellten göttlichen Wesen versinnbildlicht
und in einen Vorgang umgesetzt.

Die schöne Harmonie der klassischen Kunst
linden wir dann in dem Relief Seite 11, das zwar
auf Rhodos gefunden, doch ganz von attischem
Geist erfüllt und sicher ein Werk attischer Kunst ist.
Auch dies ist ein Weihgeschenk, wie der betende
Stifter zur Linken verrät; dargebracht ist es einem
unbenannten Gotte, vielleicht dem Echelos, und
das Bild zeigt ihn, wie er ein Weib entführt, um
es zur Gattin zu nehmen. Auf einem kleinen Wagen
stehen die beiden, mit leichter Hand hält der Gott
die Zügel des dahinsprengenden Viergespanns; den
linken Arm schlägt er um die verschämt und ängst-
lich dreinblickende Göttin, und wendet ihr, offen-
bar mit beruhigenden Worten, das Haupt zu. Schön
hat der Künstler die Schwierigkeit, die vier Pferde
nebeneinander zu zeichnen, gelöst, indem er die
beiden Jochpferde als Einheit zusammenfasst und
die beiden äusseren, nur mit der Leine angesträng-
ten Tiere, sich freier bewegen lässt. Schön ist auch

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