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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0160

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dass die Zuweisung dieser Arbeiten an einen Venezianer
einleuchtet. Den wirklichen lombardischen Kupferstich
mit eigener Technik ordnet Kristeller um die Stiche
nach Leonardos Abendmahl in mehrere Gruppen.
Das Vorbild giebt für die Stiche das Jahr 1498
als terminus post quem. Aber diese Abendmahls-
darstellungen sind wohl spätere Leistungen der
Gruppenführer; denn trotz des Zusammenhanges mit
einem Werk des Leonardo ist gerade dieser Teil des
lombardischen Kupferstiches vorleonardesk. Für den
ältesten Stich nach dem Abendmahl (und für eine kleine
Anzahl anderer Blätter, die stilistisch demselben Meister
angehören) hat Kristeller den Urheber in dem lombar-
dischen Miniaturmaler Fra Antonio da Monza erkannt.
Das gelehrte Italien hat zwar (prinzipiell und nicht
sachlich) widersprochen, wird sich jedoch an die über-
raschende, aber erwiesene Benennung schon gewöhnen.
Fra Antonios Abendmahlstich wurde dreimal kopiert,
sicher von Mailändern und in Mailand. Zwei der Kopien,
die „mit der Katze" und die „mit der Maus", sind tech-
nisch gleichartig. An diese Arbeiten gliedert Kristeller
noch an: eine Verkündigung und einen Crucifixus in
Berlin und eine thronende Madonna in London, auf
Grund ihres rein quatrocentistischen Charakters hält er
sie für älter, vielleicht beträchtlich älter, als die beiden
Abendmahlsstiche.

Der dritten Kopie von Fra Antonios Abend-
mahlsstich, der „ohne Tier", fügt Kristeller eine weitere
grössere Gruppe von Stichen bei, in denen dieselbe
Stecherpersönlichkeit zu erkennen ist. Über das Alter
dieser beiden Gruppen ist nur zu sagen, dass sie dem
Ende des fünfzehnten Jahrhunderts angehören und dass
Leonardos Einfluss beide nicht berührt hat.

Leonardo da Vinci selber hat den Grabstichel nichtge-
führt, wenn es auch manchmal noch behauptet und ge-
glaubt wird. Seinen direkten Einfluss, das heisst die Nach-
ahmung seinerZeichnungsweiseinderKupferstichtechnik,
erkennt Kristeller nur in drei Blättern, dem Profilbildnis
eines Mädchens in einem Rund (London), einem h.
Rochus (Ambrosiana) und dem Bildnis des Dichters
Bernardo Belinzone (Edmund von Rothschild in
Paris). Dieses reizvolle Porträt (in einem Gemach vor
dem Lesepult) war bisher unbeschrieben. Kristellers
Einreihung des Blattes an richtiger Stelle ist auch
wegen seiner Datierbarkeit wichtig. Der 1493 in Mai-
land gedruckten Ausgabe der Rime des Belinzone wurde
ein Bildnis des Dichters in Holzschnitt beigegeben, das
eine Kopie des Stiches ist. Dieses frühe Datum zeigt,
dass die handwerksmässige Technik der vorleonardesken
Gruppen sich noch lange über die Jahre hinaus erhalten
hat, in denen andere mailändische Stecher schon von
Leonardo geleitet wurden.

Eine Gruppe von vier Stichen wurde schon von
Passavant dem Schüler Leonardos Cesare da Sesro zu-
geschrieben. Selber ist dieser Künstler sicher nicht der
Stecher. Kristeller meint mit Recht, diese Blätter stünden

dem Stil eines andern Leonardo Schülers, Marco
d'Oggiono, näher. Jedenfalls kommen sie aus der Schule
des Leonardo. Sie haben eine besondere, sonst nicht be-
kannte Technik: kleine Striche und Häkchen, die weich
modellieren und einen malerischen Tön geben. Sie ist
wahrscheinlich aus der Zeichnungsart der Vorlagen ab-
zuleiten. Der mailändische Ursprung dieser letzten
Gruppe von Kupferstichen wird auch durch ein völliges
Zusammenklingen mit Holzschnitten in mailändischen
Büchern bewiesen. Die Erscheinungsjahre dieser Bücher
zwischen 1516-20, wird durch eine Datierung der
Stiche ermöglicht.

Der zweite umfangreichere Teil von Kristellers
Buch behandelt den lombardischen Holzschnitt. Datie-
rungsfragen sind hier leicht zu beantworten, weil genug
datierte Holzschnittbücher vorliegen, nach denen sich
die wenigen undatierten Einzelblätter leicht verteilen
lassen. Wenn aus der Lektüre dieses zweiten Teiles
nicht die Vorstellung eines einheitlichen lombardischen
Holzschnittstiles gewonnen wird, so liegt das daran, dass
diese Einheitlichkeit offenbar mangelt. Der Bezirk musste
für dieses Thema umfangreicherbegrenzt werden, wegen
det erweiterten Thätigkeit der Holzschneider. Zur Lom-
bardei kommt noch Piemont hinzu, Drucke, die in Pavia,
Savona und Como erschienen sind, waren zu berück-
sichtigen. In demselben Jahr 1479, in dem die ersten
datierbaren Kupferstiche in Mailand hergestellt werden,
erscheint hier auch das erste mit einem Holzschnitt
geschmückte Buch, das von den Deutschen Pachel und
Scinzenzeler gedruckte Breviarium decretorum des
Paulus Artavanti mit einem Bildnis des Verfassers.
Wie beim Kupferstich entwickelt sich auch beim Holz-
schnitt die mailändische Technik aus der venezianischen.
Trotz dieser Gleichartigkeit gehen aber Kupferstich und
Holzschnitt bis ins sechzehnte Jahrhundert getrennte
Wege.

Der Anfang des mailändischen Holzschnitts ist
handwerksmässig. Aus den vielen Gruppen und Grüpp-
chen, in die Kristeller das Material trennt, taucht nur
ein bedeutender Künstler hervor, den Kristeller als fass-
bare Persönlichkeit herausschält. Das ist der Illustrator
von Büchern, die 1499 in Mailand erscheinen, die Dia-
loghi des Melchior von Parma, der Tesauro spirituale
des Pietro Ferraro. Es sind blattgrosse Holzschnitte
nach Stil und Technik lombardischer Art, grossfigurige
Kompositionen von freier Erfindung, mit festen und
sicheren Linien in eigener Weise geschnitten.

Der Katalog der lombardischen Holzschnittbücher
von 1479 bis nach 1530, der den Schluss des Bandes
bildet, umfasst 368 Nummern. Es ist nicht nötig zusagen,
dass die Beschreibung mustergültig ist. Kristellers seit
langem anerkannte und bewährte Eigenschaften,umständ-
lich zu erreichende und schwer zu gruppierende Denk-
mäler gedruckter Kunst mit sicherer Hand zu ordnen,
zeigt das neue Buch in bereits gewohnter Weise.

Jaro Springer

J43
 
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