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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 5
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Scheffler, Karl: Die Maler 1870 und 1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0227

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allgemeinen Zeitprogramm, das mit Krieg und
Nationalismus nun einmal nichts zu thun hatte.

Renoir hatte 1870 soeben seine „Lise" voll-
endet. Ihn erfüllte das Problem wie der Einfluss
von Delacroix und Courbet zu naturalisieren sei,
nicht aber das Problem des Kriegs und der Politik.
1870 stellte er im Salon eine „Badende" und eine
„Frau aus Algier" aus; 1871 gab es keinen Salon;
187z schickte er eine „Pariserin in algerischem
Kostüm" ein, die aber zurückgewiesen wurde. Da-
neben entstanden Bilder wie der „Spaziergang",
das „Dejeuner" und andere dieser Art. Er blieb
Idylliker, trotzdem auch er zeitweise Soldat war.

Tief im Atelier steckte zu jener Zeit noch Ce-
zanne. Erst 1873 begann er neben Pissaro vor
der Natur zu malen. Er war eng befreundet mit
Zola, mit dem Verfasser der „Debäcle", der an dem
Krieg doch ein starkes literarisches Interesse nahm;
auf Cezannes Malerei ist aber dieses Interesse nicht
übergegangen. Das ist um so bezeichnender wenn
man bedenkt, dass der Maler sich damals noch in
dem Vorstellungskreis Delacroix' bewegte, also in
der Umwelt romantischer Stoffe voller Kriegslärm
und abenteuerlicher Bewegtheit. Eines seiner weni-
gen Bilder aus dieser Zeit heisst „Idylle",

Am lehrreichsten vielleicht ist das Verhalten
Courbets, weil dieser Maler ein wilder Politiker
war und thätig an den Aufständen der Kommune
teilnahm. Man sollte denken, er wenigstens hätte
auch malerisch seinem politischen Radikalismus
Ausdruck suchen müssen, um so mehr, als er zwan-
zig Jahre früher schon seine sozialen Instinkte in
den „Steinklopfern" der Kunst dienstbar gemacht
hatte. Aber er hielt Politik und Kunst streng aus-
einander. Kurz vor dem Krieg — zur selben Zeit
als Corot seine schönen Altersbilder schuf—• malte
er seine berühmten „Wogen" und Marinen; und
im Gefängnis von S. Pelagie, wo er wegen seiner
Teilnahme am Umsturz der Vendomesäule einge-
sperrt war, malte er mit altmeisterlicher Grösse und
Ruhe ein Apfelstilleben und ein Selbstbildnis. In
diese Bilder hat er, wie in so viele seiner andern
Werke, die innere Dramatik seiner Natur hinein-
gemalt; an Kriegsmotive aber hat er als Künstler
nicht gedacht, obwohl ihn der Schmerz über die
Niederlage seiner Nation in das Abenteuer des
Kommuneaufstands getrieben hatte. —

Diese Beispiele mögen genügen. Sie beweisen
hinreichend, dass zwischen der echten Kunst und
dem Krieg von 1870 — 71 innere Beziehungen nicht

EDUAED MANET, BASSIN D'ABCACHON, 1871
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