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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 5
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Rhein, Fritz: Feldpostbriefe aus dem Westen: [2]: mit Zeichnungen vom Kriegsschauplatz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0242

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FRITZ RHEIN, IM NEBEL

.....Wir marschierten ab durch grundlose

Wege wie man sie nur hier hat. Der Boden aus
Lehm und Ton klebt so, dass ein Pferd nicht nur
sein Hufeisen, sondern den ganzen Huf darin ver-
lor. Einer meiner Leute baute auch ab, ich konnte
ihn auf einen Bagage wagen laden lassen. Total ver-
hungert und vor allem verdurstet kamen wir an.
Die Leute wurden gleich aus einem grossen Kessel
auf der Strasse warm gefuttert und mit Kaffee ge-
tränkt, zogen dann in ihre Scheune. Ich suchte mir
auch Nahrung und stiess dabei auf einen Zug, der
thüringische Kartoffelklösse machte, wir wurden
handelseinig und bald schlief ich.

23. November

.....ich liege mit meinem Zuge etwas abseits

von der Kompagnie, was ganz sympathisch ist. Wir
müssen viel arbeiten, um die Unterstände für den
Winter einzurichten. Tag und Nacht wird ge-
buddelt, Holz und Stroh nur bei Nacht geholt, die
vordere Wand dazu benutzt und mit starken Balken
zugedeckt. Meiner ist leider zu niedrig, dass ich
nicht sitzen kann, muss also auf dem Rücken liegen
und beim Scheine einer Kerze schreiben und lesen.
In der vorigen Nacht hat es saftig geplanscht und
jeden Augenblick fürchtete man eine Überschwem-
mung; doch nach und nach kommt man hinter die
Kniffe und legt Entwässerungsgräben an. Gestern
und die ganze Nacht hörten wir kolossales Artillerie-

schiessen aus der Richtung V., man macht gleich
die schönsten Kombinationen, fällt es, so muss sich
unsere Stellung ändern.

.....Je näher wir R. kommen, desto brenz-

licher wird es. Die Franzosen kennen genau die
Stunde unserer Abwechslung. Ganz lautlos schlän-
geln wir uns ums Dorf herum, im Schutz unseres
Hügels, bis wir an unsere Laufgräben kommen,
durch die wir die Schützengräben einzeln erreichen,
dabei veranstalten die Franzosen jedesmal eine kolos-
sale Schiesserei und erhellen mit Leuchtkugeln die
ganze Gegend. R. ist total zerschossen, die Häuser
haben mitunter noch ihre ungefähren Umrisse, aber
ausser einer Kuh, die wegen ihrer Milchproduktion
sorgfältig gepflegt wird und einer Hündin, die
kürzlich Familie erhalten hat, giebts kein lebendes
Wesen. Die Keller werden zum Teil noch von
Truppen besetzt; auch der Bataillonsstab liegt noch
im Ort.

150 Meter vor uns liegen die Franzosen, man
sieht nur ihre Gräben, und hin und wieder die Spaten
oben erscheinen. Fünfzig Meter vor mir liegen zwei
Tote von dem letzten kläglich verlaufenen Angriff.
Um 5 Uhr früh kommt heisser Kaffee und die Post,
wenigstens die Briefe. Tags kann man einige Stun-
den schlafen. Mittag- und Abendessen kann nicht
mehr warm herangeschafft werden, dafür giebts
Speck, Wurst und Schmalz. Am dritten Tag sind
wir immer im Wald in Reserve. Da wird fleissig

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