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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 5
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Rhein, Fritz: Feldpostbriefe aus dem Westen: [2]: mit Zeichnungen vom Kriegsschauplatz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0245

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FRITZ RHEIN, FRANZÖSISCHES DORF

und Führer der Patrouille sagte: „Herr Leutnant, jetzt
wollen wir uns mal 'nen Warmen holen."

Die Toten lagen dann bei Kerzenlicht im Unter-
stand. Es waren schwarze, stämmige, zähe Kerle,
nicht mehr weit von vierzig, nach den Briefadressen
aus der Gegend von Grenoble, also aus dem Gebirge.
Ihre Gesichter waren blutig geschlagen, wahrschein-
lich vom Fall auf die gefrorene Erde, die Züge,
ebenso Arme und Hände verzerrt. Sie müssen mit
Todesverachtung aus ihrem vordersten Graben los-
gerannt sein, um nach hundert Meter gegen Hun-
derte von Kugeln zu fallen. Ein Überläufer erzählte,
es wäre ihnen gesagt worden, sie sollten Metz be-
lagern und nur noch ein paar Deutsche auf dem
Weg dorthin überrennen. Die französischen Offi-
ziere sässen vergnügt in ihren Quartieren und amü-
sierten sich mit Damen. Bei den Gefallenen fand
man kleine Stahlschilder, die sie vor sich stellen
als Brustschutz, sie waren an vielen Stellen durch-
schlagen.

.....Grandios ist das zerschossene R., beson-
ders bei Nacht, am Tage darf man sich nicht darin
sehen lassen; zeitweise schiessen die Franzosen an-
dauernd hinein um allen Verkehr zu hindern. Vor-
gestern kamen die Pakete, kleine und grosse, auch

die Riesenpakete für die Mannschaften mit Wöll-
sachen und Tabak. Vielen Dank! Wir waren um
o abends da, hungrig — totmüde, assen und kamen
um 11 ins Bett. Ganz früh fingen wir dann gestern
an die Liebesgaben für die Leute zu ordnen und
auszupacken. Eine peinliche Arbeit in dem kleinen
Raum. Um 10 wurde alarmiert. Der Divisions-
kommandeur wollte uns sehen. Die grosse Bagage
sollte auch mit. Also im Hundegalopp einpacken,
die eben aufgetrennten Pakete. Dann stellte sich
das Bataillon so auf, als ob es den Feind erwarte,
hinter eine Höhe versteckt, eine Sicherung wird
vorgenommen. Exzellenz steht mit einem Stabe
und lässt sich von den Häuptlingen die Kopfzahl
der Kompagnien melden. Dann kam ein Parade-
marsch, zum erstenmal im Feldzug. Feste Komman-
dos, stramme Griffe — die Leute recken und ver-
jüngen sich. Wenn man rückwärts sieht, eine
gelbgrüne Schlange voll Wucht und Entschlossen-
heit. Wenn sie gleich so zum Sturm geführt
würden, gäbs keinen Widerstand. Nach fünf Mi-
nuten ist alles vorbei. Exzellenz verschwindet im
Auto über eine Höhe. Man steht noch so herum.
E.'s Pferd stand zufällig da, ich setzte mich drauf
und ritt allein spazieren durch das graue Wetter.

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