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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 5
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Scheffler, Karl: Totentanz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0248

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Aber vielleicht
kann nur ein

persönlicher Tod *■,' | r-\

künstlerisch gebil-
det werden. Bisher
sind wenigstens
nie zureichende
Todesverkörpe-
rungen erfunden
worden für die
Massenmorde der
Natur — bei Rie-
senüberschwem-
mungen, Vulkan-
ausbrüchen oder
asiatischen Millio-
nenmetzeleien.
Und wo moderne
Künstler versucht
haben, das Unper-
sönliche des blin-
den Massenver-
hängnisses darzustellen,
artistisch Merkwürdiges

ALBKECHT DÜRER, DER REISENDE TOD. ZEICHNUNG. 1505. LONDON

ist immer nur etwas
herausgekommen. Der
Tod stellt sich der modernen Phantasie nicht mehr
in einer Gestalt dar, sondern im unsichtbaren
Bazillengewimmel, in kausal unübersichtlichen
chemisch physikalischen Prozessen. Wie soll man
den Tod zulänglich künstlerisch darstellen, der in
einer Granate sitzt und die Körper vieler Menscher
in einem Nu zu unkenntlichen Fetzen zerreisst! Es
genügt nicht Freund Hain in Uniform ans
Maschinengewehr oder ans Steuer eines Untersee-
bootes zu setzen. Das wäre wohlfeil illustrativ.
Der Gott des Todes, der die Menschheit jetzt gegen
sich selbst wüten lässt, dieser unpersönliche, über-
persönliche Völkerwürger, der die Volksheere gegen-

einanderhetzt und
schrecklich gegen-
einander prallen
lässt, welche kon-
krete Gestalt ist
ihm noch gemäss?
Die Wirklichkeit
erscheint phanta-
sievoller als die
Einbildungskraft
des Künstlers.
Reicht doch kaum
die Gestalt des Ge-
kreuzigten aus als
Symbol für die
furchtbaren Lei-
den dieses wissen-
schaftlich grau-
samen Krieges!

Vielleicht erfin-
den und gestalten
sich die Menschen
eines Tages,in ferner Zeit, noch einmal einen Gott, der
die mit sich selbst bekanntgewordeneMenschheit re-
giert und verkörpert, wie Jehovah, Gottvater, Allah
und andere Götter einzelne Völker und Rassen sym-
bolisieren. Wenn diese That dem Genie der Mensch-
heit gelingt, entstehen vielleicht neben dieser neuen
Gottgestalt auch neue Gestalten des Teufels und des
Todes. Eine Gestalt jenes Todes, die den erhabenen
Mantel der Notwendigkeit um sich genommen hat,
deren monumentalem Tanz, nach dem Rhythmus
einer unverstandenen kosmischen Weise, wir in dieser
Zeit zuzusehen gewürdigt werden und deren hoheits-
voller und zugleich ekler Unerbittlichkeit gegenüber
alle andern Gestalten des Todes wirken wie Fibel-
und Katechismusbildcr. K. Seh.

ADOLF MENZEL, DER TOD ALS TROMMLER

VIGNETTE AUS KUGLERS GESCHICHTE FRIEDRICH DES GROSSEN

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