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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 8
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Hancke, Erich: Anton Mauve
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0390

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A.NTON MAUVE, DER SANDKAHN

von jener Schwermut, die mit echtem Humor gepaart
geht. Und wie sein Gemüt im Humor so suchte
sein Auge Befreiung im Licht. Selten ist es das volle
Sonnenlicht, das scharfe Schatten und starke Gegen-
sätze hervorruft, er liebt es, wenn die Lichtquelle
hinter dem weissen Schleier der Wolken verborgen
ist und alles in gleichmässiger Helligkeit badet.

Seine Bilder sind auf Licht hin gedacht. Nicht
nur instinktiv, sondern mit bewusster Absicht. Einer
seiner Biographen erzählt, dass er darüber zu sprechen
pflegte wie über eine mathematische Aufgabe. Er
kannte die Gesetze so, dass er sie frei anwenden
konnte.

Darin unterscheidet sich Mauve von den
Impressionisten, dass Studie und Bild für ihn zwei
vollkommen getrennte Begriffe sind. Vor der Natur
machte er zahllose Kreideskizzen oder Ölstudien,
seine Bilder sind im Atelier gemalt. Sie sind kom-
poniert. Sie geben nicht einen bestimmten Ein-
druck, sondern das Resume vieler angesammelter
Eindrücke.

Das erklärt ihre Ungleichwertigkeit. Denn oft
ging über dem Wägen und Sichten die Frische ver-
loren. Gelang es ihm aber, so entstanden Werke
so kunstvoll, von so schönem Gleichgewicht, dass
man es versteht, wenn begeisterte Verehrer ihn mit

den alten Meistern, etwa mit einem Ostade, ver-
gleichen.

Ein solches Werk ist das Aquarell des Mesdag-
museums „die Holzversteigerung". In einem winter-
lichen Gehölz haben sich Bauern um den Auktionator
versammelt. Einige Zuspätkommende sind bei Be-
ginn der Vorlesung an ihrem Platze stehengeblieben,
um nicht durch das Geräusch ihrer Schritte die
Stimme des Lesenden zu verdecken. Sieht man
ihre dunklen Silhouetten zwischen den dünnen
Bäumchen und sieht man das leuchtend weisse Blatt
in der Hand des Notars — es ist der hellste Fleck
im Bild, heller als der mattweissliche Himmel und
der zerstampfte Schnee am Boden — so glaubt man
die feine Stimme durch die frostige Luft herüber-
klingen zu hören und stark empfindet man diese
frostige Luft, die winterliche Erstorbenheit dieses
entlaubten fröstelnden Gehölzes und seine schwer-
mütige Poesie.

Dieses Bild giebt ein vortreffliches Beispiel
Mauveschen Humors, jenes feinen Humors, dem
alles niederländisch Derbe fehlt, der gleichsam wie
ein Lächeln über die melancholische Grundstimmung
seiner Kunst gleitet, der manchmal an den Humor
Spitzwegs erinnert, wie in dem Bildchen mit dem
alten Paar, das an einem weissen Wintertage

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