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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 9
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Elias, Julius: Liebermann - Corinth
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0445

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LOVIS CORINTH, MÜNCHENS SCHLACHTHAUS. 1892

Einen solchen Kern und solches Samenkorn, am
Tage der Garben zu reifen, hat Corinths Werk
nicht. Bildete Liebermann seine persönliche Wesen-
heit in jeder neuen Schöpfung neu aus, so giebt es
bei Corinth eine Anbetung seiner Persönlichkeit.
Einer Persönlichkeit ohne eigentliche Feste und
Stetigkeit; das schillert und glänzt und lockt und
stösst wohl auch wieder ab. Kraft, doch oft auch
fatales Bewusstsein der Kraft. Immerhin eine amü-
sante, sehr bewegliche Natur, die hundert Eisen im
Feuer hat, die fast immer Überraschungen, doch
kaum je Offenbarungen spendet. Kein Kulturfaktor
wie Liebermann, aber ein Gegenstand geistigen Ver-
gnügens, ästhetischer Reizungen, auch für kom-
mende Geschlechter in vereinzelten Werken. Co-
rinth erschien einst in Berlin, weil ihm München zu
klein geworden war, fertig; und in Berlin wurde
er sozusagen für Europa entdeckt. Dieser keck Ge-
wachsene, Leichtherzige, Vielgewandte konnte na-
türlich kein Adept Liebermanns werden; er setzte

sich zwar an den hohen Feiertagen respektvoll zu
Liebermann in das Boot, das mit dem günstigen
Winde der Opposition fuhr (die Opposition ist
beiden ganz ausgezeichnet bekommen), nahm etliche
Anregungen stillschweigend von ihm hin, nicht nur
malerische, sondern beispielsweise auch die Kunst-
schreiberei, um ihr in einer Art Rotweinfidelität zu
ftönen: für gewöhnlich aber zog er unbekümmert
seine Malerstrasse, an der rechts und links grüne,
fette Weide lag, und über der der Himmel voller
Geigen hing.

Vor zwei Jahren veranstaltete Corinth eine im-
posante Kundgebung; er machte, durch eine mär-
chenhaft grosse Sonderausstellung die Probe auf
dasExempel seiner Beliebtheit. Sie gelang glänzend;
es zeigte sich, dass er — dank einer, alle Bande
frommer Scheu sprengenden, überwältigenden Stoff-
masse — für jeden etwas mitgebracht hatte. Wie
warmer Frühlingsregen sprühten Sujets, Stile, Ma-
nieren nur so über die Beschauer hin, dass sie

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