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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 12
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Schröder, Bruno: Griechische Gewandstatuen im alten Museum zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0582

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sind „arrangiert"; man fühlt noch die flach aus- Hat bei diesem Bronzewerke die Farbe ganz

gestreckte Hand, die mit graden Fingern in die gefehlt und konnten wir sie bei der Marmorstatue

schwere Stoffmasse hineingefahren ist; und auch zur Not missen, so fehlt uns mit ihr ein Wescnt-

die Falten, die zu beiden Seiten der Füsse vor- liches bei der sogenannten „Seegöttin'-' (Abb. i 8),

gezogen sind und der Figur eine breite Standfläche einer Kopie nach einein Werk, das ganz auf farbige

geben, verdanken ihre Lage nicht dem Zufall, wie Reize aufgebaut ist. Die Vasenmalerei und Nach-

denn überhaupt der ganze sichtbare Teil des Chitons richten bei den antiken Schriftstellern lassen er-

rhythmisch durch
Faltenhäufungen ge-
gliedertist. EineMen-
ge bewusst verwand-
ter Kunstgriffe bei
engem Anschluss an
die Naturerschei-
nung; Verwertung
des stofflichen Cha-
rakters der Ober-
fläche; kluge Aus-
nutzung und Anord-
nung der durch Zug
und eigenes Gewicht
entstehenden Falten;
eine reiche Fülle der
Gewandmasse, die
doch den tragenden
Organismus nicht er-
drückt: das alies ist
hier vereinigt, und ein
vollkommener Aus-
gleich zwischen den
verschiedenen Seiten
des Gewandproblems
ist erreicht; Natur
und Kunst haben sich
harmonisch verbun-
den und ein Schönes
steht vor uns, schön
noch jetzt, wo der
ursprüngliche Zu-
stand gestört ist, denn
es fehlt ja die Farbe,
die stark und leuch-
tend Haar, Augen

MANADE. BRONZE. FÜNFTES JAHRHUNDERT V. CHR.
ABB. 15.

kennen, wie schon
im fünften Jahrhun-
dert die Malerei die
lineare Zeichnung bis
zur Grenze des Mög-
lichen geführt hatte
und nun die bisher
weniger ausgenützte
Möglichkeit, den
breiten farbigen Vor-
trag, als Kunstmittel
verwertete. Es spielte
sich damit einer der
typischen kunstge-
schichtlichen Vor-
gänge ab, der auch da-
mals gewiss manchem
Künstler den Vor-
wurf, er könne nicht
zeichnen, eingetragen
hat. Jene ideale Ver-
einigung von Körper
und florartig dünnem
Gewand Hess sich
nicht weiter treiben
— so erfolgt der
Umschwung. Man
erfasst nun die farbige
Schönheit des Men-
schenleibes, man zeigt
ihn und befreit ihn
nach Möglichkeit von
der Kleid ung, der man
kontrastierende Far-
ben giebt, um die
leuchtende Hautfarbe

und Lippen, den Mantel und die Sandalen bedeckte, noch heller zu machen. Die Skulptur hat sich

Der Kunstkreis, dem dies Werk angehört, wird auch diese Erfindung der Malerei zunutze ge-

vielleicht durch ein Bronzefragment aus Kyzikos, macht, und etwa von der Wende des fünften

der grossen Handelsstadt am Marmarameer, be- und vierten Jahrhunderts ab sehen wir, wie sich

stimmt (Abb. 1 7), das dieselben Eigenschaften wie immer absichtlicher Körper und Gewand scheiden

die Marmorkore aufweist, nur dass die dort wei- und das Gewand dem Leib zur Folie dient,

chen und gefälligen Formen hier der Bronze zuliebe Das war im Prinzip auch die Plastik nichts

noch knapper zusammengefasst sind. Neues. Schon an dem Spartanischen Heroen-

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