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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 12
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Schröder, Bruno: Griechische Gewandstatuen im alten Museum zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0584

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relief (Kunst und Künstler, XIII, Nr. i, S. 7) sahen
wir das weisse Profil der Frau im Gegensatz zu
dem dunklen Schleier — wenigstens in unserer-,
den alten Zustand wieder herstellenden Einbildung.
Unsere kleine Aphrodite (Abb. 9) zeigt Antlitz und
Hals und auch den rechten Arm nicht ohne weib-
liche Berechnung so schön vor dem dunklen Mantel;
Aphrodite will es der „weiss-
armigen" Hera gleichthun. So
wird bei unserer Aphroditen-
statue (Abb. 1 8) ähnlich wie
bei der Pompejanischen Sta-
tuette (Abb. 1o) der entblösste
Oberkörper von einem sicher
einstmals dunkel gefärbten
Mantel eingerahmt, dessen Kon-
trastwirkung noch durch den
Schatten unter dem linken
Arm verstärkt wird. Die hier
beginnende Entwickelung en-
det in der völligen Nacktheit,
deren erste, rein künstlerisch
begründete Darstellung dem
attischen Künstler Praxiteles zu
hohem Ruhm gedieh.

Doch hörte man natürlich
nicht auf, bekleidete Gestalten
zu schaffen; immer noch galt
es, Göttinnen wie Athena, De-
meter, Artemis, und Grabfigu-
ren von Frauen und Mädchen
aufzustellen; dabei hat die Fol-
gezeit, in den Jahrhunderten
nach Alexander dem Grossen
bis zum Erlöschen der eigent-
lichen griechischen Kunst dem
Gewandproblem keine wesent-
lichen neuen Züge mehr ab-
gewinnen können. Die alten
Errungenschaften werden vari-
iert oder sie treten in neuen
Kombinationen auf. So soll
das neumodisch hochgegür-
tete Gewand der Niobide
(Abb. 20) gewiss den Anschein derber Stoff-
lichkeit haben, die noch durch die Anwendung
eines schon länger bekannten Mittels, der kurzen
Knickfalten, verstärkt wird. Neu ist im Grunde
nicht einmal, wie der ausgebreitete Mantel und
sein vom linken Oberschenkel abrutschender
Zipfel dem Ausdruck dient; denn immer schon hat

GÖTTIN.

das Gewand nicht bloss der gesamten Naturan-
lage der dargestellten Persönlichkeiten entsprochen,
sondern auch der Darstellung von Affekten gedient;
namentlich der in Furcht und Bestürzung ergriffene
Zipfel des Schleiers oder Mantels, das im Kampf
oder bei der Flucht lang schleifende Himation und
das in heftiger Bewegung des Körpers oder Gemüts
gelösteKleid — alles sind längst
bekannte Hilfen für den künst-
lerischen Ausdruck.

Eine reiche Kombination
von Möglichkeiten kennzeich-
net auch die tanzende Mänade
(Abb. 2 1), deren Gewand vom
Kopisten leider grade in dem
wehenden Zipfel zur linken
Seite des Körpers zugunsten
des hässlichen Baumstammes
verhunzt worden ist. Das Kleid
besteht aus dickem Stoff und
wirft schwere Falten, zugleich
aber schmiegt es sich bei der
Bewegung des taumelnden Wei-
bes eng an den Körper, dessen
Formen klar sichtbar werden,
und es steigert durch den Zug
der Falten noch das Vorwärts-
streben der Glieder. Die Spange
auf der Schulter hat sich gelöst,
der Gürtel hält nur noch
schwach die wehenden und im
Rücken klaffenden Stoffmassen
fest — nichts kann den erregten
und selbstvergessenen Gemüts-
zustand des Weibes heller be-
leuchten als diese allerSitteHohn
sprechende Enthüllung. So wie
jetzt das Werk in Marmorkopie
vor uns steht, möchte man ver-
sucht sein, hier auch die oben
besprochene farbige Kontrast-
wirkung zwischen dem Körper
und der Hülle zu finden. Doch
war das Original gewiss aus
Bronze, bei der eine solche Berechnung natürlich
wegfällt.

Neu ist nicht einmal die akademische Erstarrung,
der die Gewandung z. B. in der Rhodischen Schule
anheimgefallen ist. Schon bei den Akropolisfiguren
bemerkten wir eine übertriebene technische Ver-
feinerung, und auch manche Peplosfiguren der

KOPIE NACH MARMOR. VIERTES JAHR
HUNDERT V. CHR. ABB. l8.

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