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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 12
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0609

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direktor auf Importanz und Vollständigkeit hin, sondern
wie ein Künstler, der sich zur Freude und zur Anregung
Bilder und Skizzen, in denen er das, was ihm vorschwebt,
von anderen erreicht sieht, in seinem Atelier aufhängt.
Darum sammelte er auch nur die Kunst, unter deren
Eindruck sein Leben gestanden hat: die Meister von
Barbizon und die holländischen Impressionisten. Was
er an köstlichen Werken von Corot, Rousseau, Millet,
Daubigny und andererseits von seinen holländischen
Freunden vereinigt hat, beweist, dass Mesdag, wenn auch
nicht gross als schaffender Künstler, doch gross war
durch sein ausgezeichnetes Verständnis und seine Leiden-
schaft für die Kunst.

DIE GESCHICHTE EINER AKADEMISCHEN
BERUFUNG

Zum Leiter des Meisterateliers für Architektur an
der Berliner Akademie der Künste wurde, als Nach-
folger von Johannes Otzen, Professor German Bestel-
meyer berufen. Will man die Stellung Bestelmeyers zu
seiner Kunst und innerhalb der unzähligen und in ihren
Zielen oft weit auseinanderstrebenden Schulen, von
denen heute die deutsche Architektur gemacht wird, kurz
bezeichnen, so wird man ihn am besten einen Akademiker
der gemässigten Richtung, einen Eklektizisten sozusagen
mit mildernden Umständen nennen. Ein geborner Bayer
— er ist in Nürnberg im Jahre 1874 geboren — empfing
er seine fachliche Ausbildung auf der Technischen Hoch-
schuleinMünchen,undderEinflussdersüddeutschenBau-
schule, namentlich der Theodor Fischers, der lange Zeit
als der Führer dieser Schule und als ihre hervorragendste
Persönlichkeit gelten konnte, ist in den Arbeiten Bestel-
meyers nicht zu verkennen. Seine bisher bedeutendste
Leistung, mit der ersieh auchzuerst einem grösseren, über
die engere Fachgenossenschaft hinausgehenden Kreise
bekannt gemacht hat, ist der Umbau der Münchener
Universität, den er als Baubeamter des bayerischen
Staates ausgeführt hat, eine nicht eben grosszügige, aber
mass volle und gesinnungstüchtige Arbeit, die im ganzen
mehr einen gebildeten und gepflegten Geschmack, als
schöpferisches Talent beweist und die deshalb auch
durchaus geeignet war, ihrem Schöpfer in verhältnis-
mässig jungen Jahren eine sogenannte glänzende aka-
demische Laufbahn zu eröffnen. Bestelmeyer erhielt
auf Grund dieser Leistung einen Ruf als ordentlicher
Professor an die Technische Hochschule in Dresden,
ein Lehramt, von dem aus er in kürzester Frist zum
Leiter des Architekturateliers an der Dresdener Aka-
demie und damitzumNachfolgerWallotsavancierte. Von
dort hat man ihn jetzt nach Berlin geholt. Soweit wäre
also alles in bester Ordnung, der Geist der Akademie ist
wieder einmal gerettet und wir hätten eigentlich allen
Grund, in die überschwengliche Begeisterung, mit der die

(in Architekturfragen übrigens auffallend schlecht orien-
tierte) Kunstkritik der Berliner Tagespresse diese Be-
rufung aufgenommen hat, einzustimmen, wenn diese
Angelegenheit nicht eine sehr bemerkenswerte Vor-
geschichte hätte, die allerdings ganz dazu geeignet ist,
jene freudige Begeisterung stark zu dämpfen. Es
hat in der That die Absicht bestanden, das vakante
Lehramt, entgegen aller akademischen Tradition, einmal
nicht mit einem Architekturprofessor, sondern mit einer
echten Künstlerpersönlichkeit zu besetzen. Es ist bekannt,
dass man dabei vor allem an einen namhaften Archi-
tekten gedacht hatte, der seine Lehrbefähigung nun
schon seit langen Jahren erwiesen hat. Der stärkste
Förderer dieser Kandidatur war seiner Zeit der in-
zwischen verstorbene Geheime Baurat Otto March,
der wiederholt mit dem ganzen Prestige seines Namens
für diesen Künstler eingetreten ist. Diese Kandidatur
hat aber sowohl bei der Akademie selbst, als auch im
Kultusministerium nur eine äusserst laue Unterstützung,
um nicht zu sagen eine ofFene Ablehnung erfahren. In
den Kreisen der Akademie muss ja, schon aus Gründen
der Selbsterhaltung, jede starke Persönlichkeit von vorn-
herein höchst unwillkommen sein, und es bedurfte schon
eines so feinfühligen Urteils, wie es der stets uneigen-
nützig nur für die Sache interessierte March hatte, um
der Kunst eines zweifellos auch von ihm als Aussenseiter
empfundenen Architekten vom akademischen Standpunkt
aus Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Jedenfalls
ist derEntschluss nicht leicht gewesen, denn nicht ohne
ernsten Grund lässt man ein so wichtiges Amt über vier
Jahre lang — so weit liegt der Tod Otzens nun zurück —
verwaist. Und da die Vorsicht bekanntlich die Mutter
der Weisheit ist, so einigte man sich schliesslich auf
eine Kompromisskandidatur und beschloss, den bekannten
Lehrer der Technischen Hochschule in Karlsruhe, Pro-
fessor Friedrich Ostendorf, der Verfasser der „Theorie
des architektonischen Entwerfens" und das Ideal eines
Akademikers schlechthin, zu berufen. Diese Absicht
ist durch den kürzlich erfolgten ehrenvollen Tod, den
Ostendorf auf dem Schlachtfeld gefunden hat, hinfällig
geworden. Um aber dennoch dem Geist der Mässigung
und dem akademischen Prinzip zum erneuten Siege zu
verhelfen, hat man sich nach qualvoller Wahl jetzt end-
lich für Bestelmeyer entschieden. Und man geht wohl
nicht fehl, wenn man auch bei dieser Berufung dem
in Personalienfragen fast unumschränkten Einfluss des
Berliner Stadtbaurats Ludwig HofFmann, der mit der
bekannten, hier erst kürzlich in anderem Zusammen-
hang hervorgehobenen Einseitigkeit seines Urteils
vorzugsweise die ihm gesinnungs- und geistesver-
wandten Durchschnittsbegabungen zu fördern bestrebt
ist, das letzte entscheidende Wort zuschreibt. So
konnte es geschehen, dass Berlin, das eine Bluts-
auffrischung wahrhaftig nötig hätte, abermals einer
ausgezeichneten und bewährten Lehrkraft verlustig ge-
gangen ist, einer Künstlerpersönlichkeit, die kraft ihrer

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