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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 14.1916

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Heft 4
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Waldmann, Emil: Nochmals: Unbekannte, sogenannte und apokryphe Bilder Leibl's
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https://doi.org/10.11588/diglit.4751#0193

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AllBILDUNG 2

zogen und ihre sämtliche Habe veräusserten. Begut-
achtet und alsLeibl erklärt haben es vier Münchener
Maler, die Leibl in den sechziger Jahren alle gemalt
hat. Sie setzen es in die zweite Hälfte dieses Jahrzehnts.
Herr Professor von Defregger schreibt, er habe zwar
nie Arbeiten Leibls aas dieser Zeit gesehen, aber
da die Signatur (denn bezeichnet ist das Stück auch
noch) untrüglich echt scheine, so folge daraus, dass
kein Zweifel an Leibls Autorschaft bestehe. — Ab-
gesehen davon, dass hier die Logik nicht ganz ein-
wandfrei ist (denn aus einem „Scheinen"- kann man
doch keine Thatsachen folgern), ist dies vielleicht das
stärkste Beispiel davon, mit welcher Leichtfertigkeit
gelegentlich Münchener Maler Atteste ausstellen.
Denn dass dies Bild schlecht ist und mit Leibl auch
nicht das geringste zu thun hat, bedarf wohl keines
Wortes. Interessant ist nur der Denkvorgang, aus dem
heraus jener unbekannte Anonymus, der das Bild
signiert hat, handelte: Es ist bekannt, dass Leibl, etwa
in den Jahren 1873 oder 1874, die Besitzerin der

Plonermühle gemalt hat, und dass dieses
Bild verschollen ist. Da nun ein Bild
existiert, das die Müllerin darstellen soll,
und vor dem sich ein alter Müllerknecht
an irgend etwas erinnert fühlt, so muss
und soll unbedingt dieses Bildnis her-
halten. Da es aber selbst nach der Mei-
nung sogenannter Experten mit dem Stil
Leibls von 1873 aber auch gar keine
Ähnlichkeit hat, wird es von diesen Ex-
perten munter in die sechziger Jahre
geschoben, aus denen der namhafteste
dieser Experten allerdings nie Arbeiten
gesehen hat. Aber da es nun doch ein-
mal signiert sei, werde es schon stimmen.
— Mit solchen Argumenten kann man
nicht disputieren, weil immer schon als
Thatsache vorausgesetzt wird, was erst
bewiesen werden muss, und weil der
Hauptzeuge, eben das Bild selber, gar
nicht auf Herz und Nieren geprüft wird.
Man müsste doch wenigstens den Ver-
such machen, einen Zusammenhang mit
Leibischen Arbeiten aus jenen Jahren zu
konstruieren, dann würde man sehen,
dass nicht ein einziges Bild von Leibl
aufzufinden ist, das auch nur ganz leise
Ähnlichkeit mit diesem aufwiese. Die
ehemaligen Akademiegenossen sollten
wirklich vorsichtiger sein mit der Ab-
gabe ihrer Atteste, der Schaden, den sie
anstiften, ist nicht mehr auszurotten.

Soviel als Nachtrag zu den früheren und als
Einleitung zu den folgenden Bemerkungen. Denn
wenn auch das meiste der vor zwei Jahren publizierten
Apokryphen seither verschwunden ist, so hat darum
das Handeln mit sogenannten Leibls nicht ganz auf-
gehört: es sind neue an Stelle der alten getreten,
und jedesmal wenn ein Dutzend wieder voll ist, sollen
die neuen hier besprochen werden. So langweilig
das auch sein mag, es scheint doch nötig zu sein,
um den Markt von bedenklicher Ware zu reinigen.
Ehe wir uns den einzelnen Bildern zuwenden, seien
einige allgemeine Fragen aufgeworfen. Zweierlei
ist bei diesem Thema auffällig. Einmal die Thatsache,
dass die als Leibl angebotenen und zum Teil sogar
mit seinemNamen signierten Werkemitganzwenigen
Ausnahmen so über alle Begriffe kümmerlich und
schlecht sind. Es giebt doch so unendlich viele Studien-
köpfe aus den sechziger und siebziger Jahren
Münchener Malerei, die als Niveau wirklich sehr

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