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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 14.1916

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Heft 12
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Gronau, Georg: Künstler und Kunsthistoriker
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https://doi.org/10.11588/diglit.4751#0607

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ausgehend, einmal die Geschichte des Bildes zu er-
zählen, das 1907 auf einer Wiener Auktion um
68z Kronen ersteigert worden war, die erste ein-
gehende Analyse zu geben — beiläufig erklärt dieser
vortreffliche Kenner das Bild „für eine vorzügliche
Arbeit aus den allerletzten Jahren1-' des Meisters —
und den Einzelfall nach seiner prinzipiellen Seite
zu behandeln. Die museumstechnisch missglückte
Neuaufstellung der Sammlung veranlasst ihn, darauf
hinzuweisen, dass heutzutage nur noch der für den
Beruf wirklich ausgebildete Fachmann als Leiter
einer Sammlung in Betracht kommen kann. Er
schliesst damit, dass es im Interesse der Sache läge,
wenn die Gemäldegalerie der Wiener Akademie
einem kunstgeschichtlich vorgebildeten Manne
unterstellt werde.

Die geübte Kritik, namentlich aber der ange-
führte Schlusssatz in Glücks Feuilleton rufen nun-
mehr die gesamte Wiener Künstlerschaft auf den
Plan. Mit seltener Einmütigkeit finden sich die ver-
schiednen Gruppen — Genossenschaft der bildenden
Künstler Wiens, Sezession und Hagenbund — am
17. Dezember im Künstlerhaus zusammen; in ihrem
Namen spricht der Oberbaurat Professor Leopold
Bauer, nachdem der Vorsitzende, Professor Darnaut,
zuvor über den „Fall" berichtet hatte (s. die Werk-
statt der Kunst, 3. Januar 1916). Der Sprecher
der Wiener Künstlerschaft verfährt geschickt, in-
dem er rasch zum Angriff übergeht: die Künstler
sollten ausgerüstet mit ihrer Sach- und Fachkennt-
nis (?vonaltenBildern?) diejenigen Galeriedirektoren
zur Rechenschaft ziehen, welche den ihnen anver-
trauten Kunstschätzen durch unsachgemässe Behand-
lung Schaden zugefügt haben. Vom Allgemeinen
zum Speziellen: es wird ein Brief aus dem Jahre
191 3 veröffentlicht, der namens der Sezession an
Direktor Glück gerichtet wurde, um auf die Miss-
stimmung der Künstlerschaft „gegen die Art der
Restaurierung" in der Kaiserlichen Sammlung hin-
zuweisen. Hier hätte nach Ansicht der Künstler
ein Mann von Bodes Rang seine Stimme erheben
sollen. Und dann wird Glück (und allen andern
Museumsleitern) ein Vorwurf daraus gemacht, dass
er, beziehentlich sie 1907 sich den Tizian hätten
entgehen lassen, also damals die Bedeutung nicht er-
kannt hätten. Ein nicht vereinzelter Fall: „gerade die
Künstler wissen, wie wenig wirklich künstlerisches
Urteil manchen der Herren Kunstbeamten zugetraut
werden darf, wenn es sich um ein neues Werk
handelt, für welches kein ,Vorakt' existiert." Nun
eine Anerkennung des von Kunsthistorikern auf

dem Gebiete der Kunstgeschichte Geleisteten; wo
aberkünstlerisches Sehenund fachtechnisches Wissen
unentbehrlich sind, wird der Künstler trotz seines
Mangels an Kunstgelehrsamkeit meistens richtigere
Urteile abgeben können. Bei Eingriffen in Kunst-
werke sind Künstler zur Entscheidung aller auf-
tretenden Fragen berufen. Weiter eine heftige Be-
schwerde über den „verletzenden und hochfahren-
den Ton, den mancher Kunstbeamte in letzter Zeit
hervorragenden Künstlern gegenüber anzuschlagen
beliebe." „Es sind unsere und unserer Vorgänger
Werke, die sie mit der gebührenden Ehrfurcht zu
behüten haben. Unsere (!) Werke allein geben ihnen
Stolz zu ihren geistreichen Essays und kunstkritischen
Betrachtungen." Und zum Schluss als Trumpf ein
Wort, das einst gegen die Kant-Ausleger angewendet
worden ist: „WennKönige bauen, haben die Kärrner
zu thun."

Man müsste den Artikel von Glück im Wortlaut
hersetzen, mit seiner völlig sachlichen Deduktion
und seiner absolut konzilianten Form, um ganz ver-
ständlich zu machen, wie unerhört der hier ange-
schlagene Ton ist. Scheut doch der Herr Vertreter
derWienerKünstlerschaft selbst vor derVerleumdung
nicht zurück, wo er — indem er es beklagt, dass
Bode seine Stimme nicht gegen die Restaurierungen
erhoben hat — wörtlich sagt: „Angriffe gegen
Kollegen sind undankbar (als ob der Berliner
Generaldirektor vor solchen je sich gescheut hätte,
wenn er sie für angebracht hielt!); denn man be-
nötigt die kollegiale Unterstützung zu oft; zum
Beispiel wenn es gilt Stimmung für die Werke des
einen oder anderen Meisters zu machen, oder um
die Marktpreise der Bilder in erwünschter Weise
zu beeinflussen. Von der Kunstgelehrsamkeit zum
Händlertum führen in unsrer Zeit viele Wege!"
Mit solcher versteckten Verleumdung, die um
so perfider ist, als sie in allgemeinster Form auftritt,
ist man an Männer vom Range Bodes und Glücks
seitens der Wiener Künstlerschaft vorgegangen.

Auf die wenigen Thatsachen hat ein jüngerer
Wiener Fachgenosse, Hans Tietze, geantwortet
(„Kunstchronik" vom 7. Januar): dass einmal in
Wien über Restaurierungsfragen eine Kommission
entscheidet, in der ständig Künstler — gegenwärtig
Angeli — vertreten sind, dass in der Kommission
stets die Kunsthistoriker Mühe hatten, die Bilder
vor den weitgehenden Restaurierungsforderungen
der Maler zu schützen; dass ferner von den inkri-
minierten Bildern, das eine, ein Palma, von den
gröbsten Übermalungen befreit, sich als ein vor

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