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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 15.1917

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Heft 1
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Waldmann, Emil: Georg Kolbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.4744#0015

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GEORG KOLBE

VON

EMIL WALD MANN

Immer, wenn man sich Rechenschah ablegen will
über Wert und Wesen eines heutigen Bildhauers,
hat man unwillkürlich das Bedürfnis, sich die all-
gemeine. Situation der modernen Plastik mit ein
paar schnellen Strichen zu skizzieren. Man will doch
wissen, ob der Mann in einer Tradition steht und
in welcher, und da die Bewegungen und Richtungen
der Skulptur unserer Tage durchaus nicht so klar und
bestimmt herausgearbeitet sind, wie die der Malerei,
ist man den einzelnen Erscheinungen gegenüber im
ersten Augenblick etwas verlegen und weiss nicht,
welchen Platz man ihnen anweisen soll im Getriebe
des Ganzen. Dieser Mangel an Übersicht, der ja
auch ganz deutlich in dem Fehlen eines brauchbaren
zusammenfassenden Buches über moderne Bildhauer-
kunst zutage liegt, mag unter anderen einer der
Gründe sein, dass über Plastiker unverhältnismässig
viel weniger geschrieben und geredet wird, als über
Maler. Einige Hauptlinien lassen sich indesssen
immerhin erkennen.

Auf das sehr haltungsvolle Absterben des Klassi-
zismus in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahr-

hunderts, das in den sechziger Jahren noch so tüch-
tige Leistungen wie das Ottosche Denkmal Wilhelm
von Humboldts vor der Berliner Universität aufzu-
weisen hatte — um nur ein Beispiel von vielen aus
der ganzen Gattung herauszugreifen — folgte die
neudeutsche Renaissance mit ihrem Höhepunkte
Begas. Das Ideal war nun nicht mehr die Antike,
sondern die italienische Spätrenaissance, nicht mehr
die Statue, sondern die grosse bewegte Rundgruppe.
Benvenuto Cellinis Sabinerinnenraub und, vielleicht
noch mehr, Lorenzo Berninis pathetische und auf-
geregteKompositionen entsprachen dem nachgrosser
Wirkung strebenden Gefühl der Zeit und der
Stimmung des neuen Deutschland. Übermass,
dekorativer Schwung und blendende Masseneffekte
verdrängten die steile und etwas starre Doktrin des
alten Griechen Polyklet, auf den noch Schadow in
seinem theoretischen Proportionswerk hingewiesen
hatte. Nicht alles in dieser neudeutschen Renais-
sancerichtung ist schlechthin als minderwertig ab-
zulehnen, es gab auch einzelne feinere Naturen als
Begas war oder schliesslich wurde, und die besseren

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