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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 15.1917

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Heft 1
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Meier-Graefe, Julius: Renoir, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4744#0049

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AUGUST RENOIR, FRAU AUS ALGIER

RENOIR

VON

JULIUS MEIER-GRAEFE

I

Die vier grüssten Gestalten der französischen
Generation von 1860 wurden in der ersten
Auflage meiner Entwicklungsgeschichte die Säulen
der modernen Kunst genannt. Sie können dafür gel-
ten, da sie die wesentlichsten Richtungen darstellen,
in die sich die Kunst unserer Zeit ausdehnt. Dochliess
die Bezeichnung die Vorstellung zu, die vier Meister
seien gleichmässig an dem Bau beteiligt, und das
entspricht durchaus nicht den Thatsachen. Sie tragen
alle, aber an ganz verschiedenen nicht regelmässig
verteilten Punkten und daher mit ganz verschiedenen
Kräften. Das Intellektuelle schmälert die Tragkraft
eines Degas. Er ist für das kulturgeschichtliche
Bild der Zeit wichtiger als für die Kunst, steht
an der Peripherie der Last, hat aber diese Stellung
mit Umsicht genutzt und bei einer geringen Betei-
ligung an den schöpferischen Werten der Malerei

eine Verallgemeinerung des Künstlerischen ge-
wonnen. Der kühle Ton seiner Psychologie, der
unerbittliche Strich seiner Zeichnung, seine Formu-
lierung der modernen Gebärde sind den Toulouse
Lautrec, Forain und vielen anderen unentbehrlich
geworden und haben weit über die Malerei hinaus
gewirkt. Aus dem Spezifischen seiner Betrachtung,
gegen die vieles einzuwenden war, ist mittlerweile
nahezu ein Stil geworden, mit dessen Normen
jedermann vertraut ist und der für die weniger
ergiebigen Versuche einer modernen Monumental-
kunst entscheidende Bedeutung erlangt hat.

Auf keinen der vier Meister trifft die Analogie
mit der Säule so vollkommen zu wie auf Renoir.
Er ist die rundeste, gedrungenste Erscheinung der
neueren Kunst, von schönstem Ebenmass, am wenig-
sten gotisch, am wenigsten brüchig, vielleicht der

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