LOVIS CORINTH, ODYSSEÜS KÄMPFT MIT DEM BETTLER.
SAMMLUNG NATHAN, FRANKFURT A. M.
I903
DIE 2-9. AUSSTELLUNG DER BERLINER SEZESSION
VON
ERICH HANCKE
Die diesjährige Ausstellung der Berliner Sezession
trägt keinen ausgesprochenen Charakter. Sie nimmt
weder für noch gegen etwas Partei. Man kann sie sogar
charakter-los nennen, insofern fast allgemein das Streben
nach einem bequemen Kompromis erkennbar wird.
Man sieht wohl, dass es in diesem Augenblick keine all-
gemein anerkannte Autorität giebt, der man sich auf
Leben und Tod verschreiben kann. Daher Ratlosigkeit.
Der Selbsterhaltungstrieb scheucht die Maler zwischen
der Angst zurückzubleiben und der Angst sich durch
entschiedenes Mitgehen zu kompromittieren hin und her.
Und für jeden allzu kühnen Schritt muss dann ein er-
höhter Aufwand an Chic um Verzeihung bitten. Diese
Ölfarbe gewordene Verzweiflung bietet keinen erfreu'
liehen Anblick.
Doch fehlt es nicht ganz an Werken, die sich über
dieses Milieu des ängstlichen Strebens erheben; nur über
sie soll hier kurz berichtet werden.
Bewunderung zollt man Thoma, der als Sechsund-
siebzigjähriger ein Bild wie die 1916 datierte „Main-
landschaft" zu malen vermag. Es ist ein zartes, inniges
Bild, dessen Vorzüge nicht sowohl in der Gestaltung als
in der Empfindung liegen. Doch selbst in dieser schüch-
ternen Form berührt die Empfindung in ihrer Wahr-
haftigkeit wohlthuend; zumal in dieser Umgebung. Die
beiden kleinen Oberländer stehen, obwohl sie nicht zu
den besten Werken des Meisters gehören, noch höher,
denn in ihnen ist eine ähnlich schöne Empfindung wirk-
lich gestaltet.
In einigem Abstand muss man hier Strathmann
J35
SAMMLUNG NATHAN, FRANKFURT A. M.
I903
DIE 2-9. AUSSTELLUNG DER BERLINER SEZESSION
VON
ERICH HANCKE
Die diesjährige Ausstellung der Berliner Sezession
trägt keinen ausgesprochenen Charakter. Sie nimmt
weder für noch gegen etwas Partei. Man kann sie sogar
charakter-los nennen, insofern fast allgemein das Streben
nach einem bequemen Kompromis erkennbar wird.
Man sieht wohl, dass es in diesem Augenblick keine all-
gemein anerkannte Autorität giebt, der man sich auf
Leben und Tod verschreiben kann. Daher Ratlosigkeit.
Der Selbsterhaltungstrieb scheucht die Maler zwischen
der Angst zurückzubleiben und der Angst sich durch
entschiedenes Mitgehen zu kompromittieren hin und her.
Und für jeden allzu kühnen Schritt muss dann ein er-
höhter Aufwand an Chic um Verzeihung bitten. Diese
Ölfarbe gewordene Verzweiflung bietet keinen erfreu'
liehen Anblick.
Doch fehlt es nicht ganz an Werken, die sich über
dieses Milieu des ängstlichen Strebens erheben; nur über
sie soll hier kurz berichtet werden.
Bewunderung zollt man Thoma, der als Sechsund-
siebzigjähriger ein Bild wie die 1916 datierte „Main-
landschaft" zu malen vermag. Es ist ein zartes, inniges
Bild, dessen Vorzüge nicht sowohl in der Gestaltung als
in der Empfindung liegen. Doch selbst in dieser schüch-
ternen Form berührt die Empfindung in ihrer Wahr-
haftigkeit wohlthuend; zumal in dieser Umgebung. Die
beiden kleinen Oberländer stehen, obwohl sie nicht zu
den besten Werken des Meisters gehören, noch höher,
denn in ihnen ist eine ähnlich schöne Empfindung wirk-
lich gestaltet.
In einigem Abstand muss man hier Strathmann
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