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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 15.1917

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Heft 3
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Hancke, Erich: Die 29. Ausstellung der Berliner Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.4744#0152

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LOVIS CORINTH, „LUTHER"
AUSGESTELLT IN DER BERLINER SEZESSION

erwähnen. Er ist aucheinePersönlichkeit. Freilich scheint
sich die Wirkung seiner Phantastik auf die Dauer abzu-
schwächen. Vielleicht ist er auch in den Arbeiten, die
ihn hier vertreten, weniger glücklich als sonst. Es er-
scheint zum Beispiel preziös, das Bild mit den Bäumen
auf rotbeblumter Wiese nach den beiden gelben Farb-
tupfen, die an einem Baumstamm haften, „Schmetter-
linge" zu benennen; die gelben Farbtupfen existieren
gar nicht für das Bild. Und die Blumen in schwarzer
Vase auf braunem, von einem grauen goldbetupften Netz
überspanntem Grunde wirken zwar phantastisch prächtig,
aber ebenfalls etwas preziös.

Unter den einheimischen Künstlern der Berliner
Sezession ragt Corinth in seiner unbeirrbaren Urwüchsig-
keit hervor. Zwar bei seinem „Luther" weiss man

sich die Absicht des Künstlers schwer zu deuten.
Diese Art von Monumentalität schiesst doch wohl
zu kurz. Und was soll man von dieser Landschaft
denken? Doch in der Figur liegt genug von Wucht
und in der Modellierung des Kopfes genug Solidi-
tät, um über das Problematische der Auffassung
hinwegzuhelfen. Das Porträt des Dr. Schwarz
ist ein guter Corinth. Das heisst nicht als Porträt;
aber als glänzendes Stück Malerei. Wäre der Rock
nach unten zu nicht ein wenig zu dunkel, die
Manschetten nicht ein wenig zu weiss geraten,
so müsste man es in dieser Hinsicht vollkommen
geglückt nennen.

Eine ähnliche Malkultur bei sehr viel ge-
ringerer Persönlichkeit spricht aus dem feinen
Pastell „Im Cafe" von Lesser Ury, einer jener
überraschend guten Leistungen, wie man sie ab
und zu von diesem Künstler zu sehen bekommt.
Auch bei Pottner berührt es angenehm, dass
er der einmal gewählten Darstellungsweise treu
blieb. Das giebt seinen an sich bescheidenen
Bildern eine Würde, die die Arbeiten seiner
sezessionistischen Kollegen so oft vermissen lassen.
Seine vier grossen Wandbilder dürften Willy
Jaeckel manchen Bewunderer kosten, den frühere
Werke ihm gewonnen hatten. Von dem starken
Reiz beispielsweise des kleinen Frauenbildnisses
vom vergangenen Jahre ist hier kaum in Einzel-
heiten die Spur wiederzufinden; am ehesten in
der schlafenden Mutter. Der Haupteindruck ist
Leere und Gedunsenheit. Am deutlichsten ist er
in dem Arbeiterpaar unter dem Regenbogen und
in dem Ruhenden am See; die beiden anderen
Bilder sind etwas besser ausgefüllt. Doch wird
man kaum fehl gehen, wenn man annimmt, dass
für die Stadt über dem Flusse und für die Wald-
blösse Naturstudien unmittelbar benutzt worden
sind. Warum dann aber nicht überall die unmit-
telbare Nachfolgung der Natur?

Doch es geht nicht an zu verallgemeinern;
man kann nur sagen: hier ist Lebendiges nicht ge-
schaffen, Elementares, Kosmisches nicht erreicht, von
den verheissenen grossen Wahrheiten nichts aus-
gesprochen; es sind in den letzten Jahrzehnten viele
impressionistische Bilder gemalt worden, die auf dem
zehnten Teil des Raumes, mit dem zehnten Teil der
Ansprüche, zehnmal mehr von jenen grossen Wahr-
heiten enthalten. Übrigens dürfte dasMisslingen zumTeil
auf Verkennung oder Verachtung der Schwierigkeiten zu
schieben sein: solche Riesenbilder lassen sich auch mit
viel Talent und Können nicht aus dem Ärmel schütteln.
Die Kompositionen von Karl Caspar tragen unver-
kennbar die Züge der Münchener Malkultur. Sie haben
gut gemalte und angenehm farbige Einzelheiten
besonders die Bilder mit badenden Mädchen. Mit Aus-
nahme jedoch der Gruppe „Christus und Johannes"

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