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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 15.1917

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Heft 11
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4744#0584

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ÜNSTAÜSSTELLÜNGEN

WIESBADEN

Zum Gedächtnis des bei Fromelles
am i i. Mai 19 1 j gefallenen Albert
Weisgerber, des ersten Präsidenten
der Münchener Neuen Sezession, hat der Nassauische
Kunstverein im Neuen Museum zu Wiesbaden eine
umfangreiche Nachlassschau von mehr als sechzig Ge-
mälden und ebensoviel Zeichnungen des Künstlers
veranstaltet. Wie wenig diese Ausstellung auch darauf
Anspruch erheben darf, das ganze Lebenswerk des auf
so tragische Weise dahingerafften Führers der Jung-
Münchener Kunst zu zeigen, so ist doch nicht in Abrede
zu stellen, dass durch den Verzicht auf nebensächliche
und mehr studienmässige Arbeiten, und anderseits durch
sehr geschmackvolle Hängung das Gesamtbild einheit-
licher und geschlossener wirkt, als die doppelt so um-
fangreiche erste Ausstellung in den Räumen der Neuen
Sezession zu München.

Dieser Künstler, der zeitlebens ein Kämpfer war
und als ein Kämpfer gefallen ist, hat eine merkwürdige
Entwicklung durchgemacht. In St. Ingbert in der
Rheinpfalz am 2 1. April 1878 geboren, hat er sich unter
grossen Schwierigkeiten den Weg zur MünchenerKunst-
schule und dann zur Akademie gebahnt, wo er Schüler
von Stuck wurde und namentlich von Herterich viel-
fache Anregungen empfing. Als Mitarbeiter an der
„Jugend" machte er sich schnell bekannt, verarbeitete
darauf in höchst persönlicher und kraftvoller Weise die
verschiedensten Einflüsse des Berliner Impressionismus
und des Münchener Scholle-Kreises, um schliesslich,
wie so viele andere deutsche Künstler unserer Zeit, in
Paris, durch das Studium Cezannes, den Weg zu sich
selbst zu finden. Aus der grossen befruchtenden Welle
eines rasch zupackenden Impressionismus tauchte ihm
das Ideal des „Neuen Bildes" auf. Er suchte Herr zu
werden über das Allzuviele der Einzelerscheinungen
in der Natur, und er fand das Mittel dazu in einer zu-
sammenfassenden Vereinfachung von Form und Farbe-
Schon seine frühesten Arbeiten, das tiefempfundene
Bildnis seiner Mutter von 1900 und die Porträts seiner
Freunde Grabisch, Prager und Langner von 1 905 haben,
trotz der etwas schwertonigen Gesamtwirkung, das
Spontane des auf einen Wurf Geschaffenen. Die stets
wachsende Verinnerlichung des Künstlers wird dann
offenbar an seinen Sebastianbildern von 1909, 191i,
1912 und 191 3, ebenso an den verschiedenen Bearbei-
tungen des Jeremias in den Ruinen von Ninive, von
denen die Wiesbadener Schau drei aus dem Jahre 191 2
stammende Lösungen bietet. Neben diesen grosszügigen

Kompositionsgedanken fesseln ihn anspruchslose Vor-
stadtmotive. Er findet Befriedigung in der bescheiden-
sten Stoffwahl, in der Wiedergabe der proletarischen
Ausläufer Münchens, der „letzten Häuser", um
aus der Armut den Reichtum hervorgehen zu lassen
und um zu zeigen, dass auch in dem scheinbar Un-
malerischen eine Fülle des Wertvollen enthalten sein
kann. Mit zwei .Vorstadtbildern und drei liegenden
Akten aus dem Jahre 1914 bricht durch den schnellen,
schönen Soldatentod, den Weisgerber auf flandrischer
Erde fand, eine Entwickhing ab], die in ihrem weiteren
Verlaufe zu williger Freiheit des monumentalen Ge-
staltens innerer Erlebnisse geführt haben würde. Jetzt
aber, wo der Reichtum seines Schaffens übersehbar vor
uns liegt, dürfen wir wohl sagen: es war für ein
Menschenleben genug!

Ausser dem Werk des gefallenen Führers wird in
der Wiesbadener Frühjahrsausstellung eine umfang-
reiche Schau der übrigen Mitglieder der Neuen Sezession
geboten, die in ihrer Gesamterscheinung viel ruhiger
anmutet", als die erste grosse Ausstellung in München.
Als eines der stärksten Talente der ganzen Künstler-
gruppe tritt hier Edwin Scharff hervor, der seine Pla-
stiken , Gemälde und Zeichnungen von ihren formalen
und dynamischen Elementen aus gestaltet und durch
sein ausgereiftes Können der Schar der Genossen Hal-
tung und Charakter verleiht. Walter Bombe

•SV

Antonio de la Gandara ist, fünfundfünfzig Jahr
alt, in Paris gestorben (geb. 16. Dez. 1862). Dieser von
der internationalen Gesellschaft lebhaft aufgesuchte und
verzogene Porträtmaler ist auch in Deutschland bekannt
gewesen. Er stellte oft in München bei den Sezessio-
nisten aus und erschien in Berlin auf der Grossen Aus-
stellung von 1896 mit einer kleinen Galerie von Bildnis-
sen eleganter, schlanker Weltdamen, die sehr bewundert
wurden. Er war von Whistler und Boldini angeregt
und brachte jene vornehme Verve ins Handwerk mit,
die schmeichelt, ohne trivial zu werden. 1889, auf dem
Weltjahrmarkt, ging sein Stern auf: die „Dame mit der
Rose" und die „Dame in Grün", Porträts voll englischer
Lässigkeit und französischem Esprit, gewannen dem
Schüler Gerömes die Herzen aller europäischen und
aussereuropäischen Snobs. Degas hat einen seiner bitter-
sten Witze über ihn gemacht, — er nannte Antonio de la
Gandara einen „chef de rayon". Julius Elias.

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