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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 1
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Künstler-Anekdoten
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0052

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NICHT SCHÖN GENUG

Gussow konnte es einer jungen Dame, die er por-
trätierte, nicht recht machen, weil sie sich im Bilde
nicht schön genug fand. Endlich wurde der Künstler
ungeduldig und fragte: „Haben Sie eine Freundin,
gnädige Frau, die Sie selbst für sehr schön halten?"
Die Dame bejahte und Gussow bat sie, diese Freundin
zur nächsten Sitzung mitzubringen. Als die beiden
Damen erschienen, forderte der Maler die schöne
Freundin auf, den Platz auf dem Podium einzunehmen
und begann schweigend dann nach ihr das Bildnis um-
zumalen.

*

DESGLEICHEN

Zu Lenbach kam einst eine reiche, etwas einge-
bildete und nicht eben hübsche Dame. „Herr Pro-
fessor", sagte sie, „ich möchte mich von Ihnen malen
lassen, ich möchte ein ähnliches und schönes Bild haben".
Lenbach erwiderte: „Ja, gnädige Frau, da müssen Sie
sich schon für das eine oder das andere entscheiden".

*

CEZANNES BESCHEIDENHEIT

Cezanne sagte einmal: „Es giebt zwei Arten von
Malerei", da ist zunächst die starke, die schöpferische,
die zeugungskräftige Malerei — kurz, die meine.

Und dann ist da die Malerei der andern".

WHISTLER UND VELASQUEZ

Auf einem Diner fragte eine junge Malerin, die
Whistler gegenübersass, ihren Tischnachbarn so laut,
dass Whistler es hören musste: „Wer sind nach Ihrer
Meinung die grössten Bildnismaler der Welt?"

Der Angeredete antwortete zögernd und etwas be-
fangen: „Velasquez . . . und Whistler".

Da mischte sich Whistler, die rechte Augenbraue
hochziehend, ins Gespräch: „Wissen Sie, was Velasquez
anbetrifft.. . ich weiss nicht recht".

*

DAS BILD UND DAS SONETT

Dante Gabriel Rossetti hatte ein Bild gemalt und
dann ein Sonett darauf gedichtet. Hieran feilte er
lange und trug es den Freunden immer wieder vor,
bis er glaubte, es sei vollendet. Als er es auch Whistler
vorlas, sagte dieser: „Famos! Wissen Sie, Rossetti, ich
möchte Ihnen raten, statt des Bildes Ihr Sonett einzu-
rahmen und an die Wand zu hängen".

DEGAS UND JACQUES EMILE BLANCHE

Als Degas sich noch nicht mit Blanche, von dessen
Talent er anfangs viel gehalten hatte, überworfen hatte,
kam eines Tages Blanche in ziemlich deprimierter Stim-
mung zu dem verehrten Meister. Sie redeten über
Kollegen, und Blanche bemerkte im Laufe des Ge-
spräches: „Ja, es muss für einen Maler schrecklich sein,
wenn er merkt, dass er sein Talent verliert". Degas
konnte es sich nicht versagen zu entgegnen: „Und noch
schrecklicher, wenn er es nicht merkt!"

SECHZEHNTER JAHRGANG. ERSTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 20. SEPTEMBKR. AUSGABE AM I. OKTOBER NEUNZEHNHUNDERTSIEBZEHN
REDAKTION: KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON BRUNO CASSIRER IN BERLIN. GEDRUCKT IN DER OFFIZIN

VON W. DRUGULIN ZU LEIPZIG
 
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