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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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NEUE BUCHER

Curt Glaser, Zwei Jahrhunderte deutscher
Malerei. F. Bruckmann. München, 1916.
So viele Möglichkeiten einer Geschichte der deut-
schen Malerei bestehen, als Geschichte der Lokalschulen,
der Wechselwirkungen der Lokalschulen, des Verhält-
nisses von Miniatur-, Glas- und Tafelmalerei, so wenig
sind sie ausgenützt. Die deutsche Kunstgeschichte ist
nicht durch die Anregungen gross geworden, die die
deutsche Kunst ausstrahlte. Sie suchte ihr Arbeitsfeld
im Auslande, entzündete sich an den Werken Italiens
und der Niederlande und die Gipfelpunkte ihrer Ent-
wicklung, die Werke Burckhardts und Karl Justis, gelten
Italienern und Spaniern und charakteristischer Weise
dem Archäologen Winckelmann. Im einzelnen ist die
deutsche Kunst freilich schon seit langem bearbeitet
worden (während bei den Franzosen die verhängnis-
vollen Wirkungen der Gleichgültigkeit, mit der sie
alles nicht im achtzehnten Jahrhundert in ihrem Lande
Geschaffene betrachten, noch heute spürbar sind), aber
das Allgemeingültige, Bedeutungsvolle der Existenz
einer hochentwickelten deutschen Tafelmalerei vom
Ausgang des vierzehnten bis zum Beginn des sechzehn-
ten Jahrhunderts ist bis vor einigen Jahren nur in
wenigen Einzelabhandlungen gelegentlich zum Aus-
druck gebracht worden.

Janitschek — und vor ihm Woltmann-Woermann —
haben die Aufgabe in topographischem Sinne aufgefasst.
Der kompilierende Charakter bleibt der wesentlichste
Zug ihrer Werke, die, in den Einzelheiten leicht über-
holt, noch immer mit Nutzen gebraucht werden. Es
darf nicht verkannt werden, dass in beiden Büchern
eine wichtige und notwendige Arbeit geleistet worden
ist, die niemand in den letzten fünfundzwanzig Jahren
trotz unserer wesentlich genaueren Kenntnis der Zeit
zu wiederholen gewagt hat. Glasers Buch erstrebt
demgegenüber eine stärkere Zusammenziehung und
Klärung des Stoffes. Wesentliches und Unwesentliches
werden streng geschieden, so streng, dass hie und
da ein Künstler fehlt, dessen Name sich auch dem
flüchtigen Galeriebesucher nachdrücklich eingeprägt
hatte, wie der Heisterbacher Meister, der Weilheimer
Meister von 1444, der liebenswürdige Porträtist Hans
Maler zu Schwaz, der nur flüchtig erwähnt wird, oder
jener imposante Tiroler (?) Maler, der das männliche
Brustbild in Dresden (Nr. 1905) und einige andere
Bildnisse, zum Beispiel in Innsbruck, schuf. Aber der
bunte Reichtum der künstlerischen Persönlichkeiten im
Deutschland des fünfzehnten und sechzehnten Jahr-
hunderts ordnet sich zum ersten Mal zu einer sinn-
gemässen Entwicklung und wir nehmen teil an dem
überzeugend geschilderten Aufstieg zu der Kunst der
Grünewald, Dürer und Holbein. Nie wieder ist Deutsch-
land so reich an starken schöpferischen Begabungen

voll Wagemut, Phantasie, Liebenswürdigkeit und cha-
raktervollem Ernst des Strebens gewesen. Glaser ge-
sellt den besten Künstlern in den bekannten Zentren
südlich des Mains die selten in die Betrachtung ein-
bezogenen hervorragenden Künstler in Thüringen,
Schlesien und am Mittelrhein zu und bildet aus ihnen
die starke Basis für die gewaltigen Persönlichkeiten des
sechzehnten Jahrhunderts.

Der Wunsch, einen Überblick über das zu geben,
was durch die kunstgeschichtliche Forschung der letzten
Jahrzehnte an Ergebnissen über deutsche Tafelmalerei
gewonnen worden ist, war seit längerer Zeit latent
vorhanden und führte vor einigen Jahren in Heidrichs
„Altdeutscher Malerei" zu einer ersten sehr be-
stechenden Darstellung. Heidrich betrachtet die Kunst
als eine der Auswirkungsmöglichkeiten des mensch-
lichen Geistes, als Teil des kulturellen und geschicht-
lichen Lebens. Der grossangelegte Plan Heidrichs
führte zu einer Geschichte der Weltanschauung in
Deutschland im fünfzehnten und sechzehnten Jahr-
hundert und weiterhin zu einer ähnlichen Darstellung
in den südlichen Niederlanden vom fünfzehnten bis
siebzehnten Jahrhundert. Die abstrakte Sprache seiner
Darstellung wendet sich an einen engen, sozusagen
akademischen Leserkreis, der die Geschehnisse der
Zeit übersieht. Text und Bild sind ohne engeren Zu-
sammenhang. Glaser will die Mannigfaltigkeit der
Charaktere und die Gleichartigkeit ihres Strebens auf-
zeigen. Auch er ist von der inneren Logik des Ge-
schehens erfüllt. Aber er sucht sie in dem einzelnen
Kunstwerk und seine Schlüsse gründen sich unmittel-
barer auf mitgeteilte Bildanalysen als bei Heidrich.
Er greift weiter in die Vorzeit der deutschen Tafel-
malerei zurück und ist zugleich vollständiger und aus-
führlicher. Damit setzt sich Glaser weit mehr der
Kritik der Zukunft aus, denn je mehr sich die Dar-
stellung der deutschen Malerei auf Einzelheiten ein-
lässt, muss sie damit rechnen, durch neue Funde
korrigiert zu werden und nach den Erfahrungen der
letzten Jahrzehnte dürfen wir noch auf manche Auf-
klärung hoffen. Glaser hat aber alle Vorteile für sich,
die ein nach eigenem Plane entworfenes Buch haben
kann. Heidrichs Werk erschien in einer Reihe von
Bänden, denen eine Gliederung des Verlegers zugrunde
lag, der in erster Linie Abbildungswerke geben wollte.
Bei Heidrichs musste aus Raummangel die gesamte
nachlochnersche kölnische Kunst ausgeschieden werden,
die Auswahl der Abbildungen wurde von vornherein
wesentlich dadurch eingeschränkt, dass der Verleger
für Porträts und Madonnen gesonderte Bände vorbe-
reitete. Die natürlichen Vorteile des Glaserschen
Werkes werden durch die klare, anschauliche Sprache,
das verständnisvolle besonnene Urteil des Verfassers
 
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