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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 5
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Schmidt-Hellerau, Karl: Der deutsche Lehrling
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0177

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DER DEUTSCHE LEHRLING

VON

KARL SCHMIDT-HELLERAU

Der Mensch wird durch nichts so gut erzogen und
gebildet, wie durch gründliche und gewissen-
hafte Arbeit. Jeder Gewerbetreibende undlndustrielle
kennt den verblüffenden Unterschied zwischen einem
achtzehnjährigen Burschen, der ein Handwerk ge-
lernt hat und einem solchen, der nichts gelernt hat,
der ungelernter Arbeiter ist. Die Grundlage, die im
Alter von vierzehn bis achtzehn Jahren gelegt wird,
ist bestimmend für das ganze Leben des Menschen, sie
entscheidet,ob etwas Ordentliches oder ob nichts aus
ihm wird. Aus den Statistiken über die Bestrafungen
Jugendlicher wissen wir, in welchem Umfange die
Straffälligkeit der jungen Menschen steigt. Früher,
als es im Deutschen Reich noch fast keine un-
gelernten Arbeiter gab und jeder Junge ein Hand-
werk oder einen anderen Beruf gründlich und ge-
wissenhaft lernen musste, als das Handwerk noch
seine alte Bedeutung hatte, da war das alles in
bester Ordnung; der Handwerker war zugleich der
Träger des gewerblichen Idealismus. Der Lehrling
wurde nicht nur gründlich, gewissenhaft und um-

fassend in seinem Handwerk ausgebildet, er musste
auch an dem Gesellenstück die Probe auf sein
Können machen, er musste später, um Meister
werden zu können, mindestens zwei Jahre in der
Fremde gewesen sein und nachweisen können, dass
er in auswärtigen Werkstätten Erfahrung und Übung
gesammelt habe. So war in der zünftigen Hand-
werkerschaft nicht nur fachliches Können, sondern
auch ein grosser Schatz an allgemeiner Lebens-
erfahrung und gediegener Weltanschauung vor-
handen. Durch die Gewerbefreiheit, die notwendig
wurde, um an Stelle der Stadtwirtschaft die neue
Form der Volkswirtschaft zu setzen, sind aber diese
alten Erziehungsgrundlagen allmählich vollkommen
zerstört worden. Friedrich Naumann sagte einmal,
wir haben die grössten Kulturepochen in der Welt-
geschichte gehabt ohne Volksschulen; die Kinder
wuchsen an der Arbeit der Väter und Mütter. Das
ist vorüber, heute geht jeder, selbst der Bankier
„auf Arbeit", und die meisten Kinder sehen von
der Thätigkeit ihrer Väter nichts. Es giebt keine

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