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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 17.1919

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Heft 6
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Elias, Julius: Nach der heroischen Zeit
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Scheffler, Karl: Die Nationalgalerie und die Moderne Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4754#0257

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Camoin, die vom Fauvismus angesteckt waren,
ohne Fauves zu sein. Wie sich nun die Pointillisten
oder Divisionisten (oder auch Chromoluminaristen)
vom Impressionismus wegentwickelten, so ent-
wickelten sich, nachdem die Form abermals zur
Formel geworden war, die Kubisten von den
Fauves fort. Etwas wie ein Mittelglied war der
merkwürdige Andre Derain, ein Vorkampfer und
Vorläufer der neuesten Schule, doch einer, der
nach dem ersten Geplänkel seine Warfen wieder
ins eigene Zelt trug und bei der logischen, über-
logischen Fortentwicklung der Dinge nicht mit-
machte. Er schärft, fast noch mit höherem Nach-
druck als Matisse, seinen jungen Kameraden das
Verständnis für die primitive Plastik in der barba-
rischen Kunst der Naturvölker ein, hier entschiede-
ner in den Gleisen Gauguins wandelnd; er pries (wie
einst Cezanne und Degas) ihnen mit Zungen den
Greco und destillierte aus Grecos Werk, zumal den
Landschaften, eine Art Elementarlehre des Kubis-
mus, iooo stellte er unter den Inde'pendants ein
Bild aus — ländliches Motiv mit Baum und Häus-
chen —, ein kleines Werk, das sauber im Sinne
Grecos empfunden war und jetzt als Vorfrucht des

Kubismus gelten kann. Von der viereckigen „tache"
des Divisonismus bis zu ihrem geometrischen Aus-
bau im Raum war am Ende kein weiter Weg. Er
wurde systematisch und schulmässig beschritten
mittels jener halb wissenschaftlichen, halb phan-
tastischen Ergrü'ndung und überscharfen Methodi-
sierung der zeichnerischen Tendenz, wo der Künst-
ler schliesslich nur noch eine „Welt von Polyedern
und Zilindern vor sich sah." Ein Geschlecht von
mathematischen Denkern zog in der Kunst herauf.
Ihr Glück wird davon abhängen, ob ein rücksichts-
loses Genie ersteht, das durch Auswahl tauglicher
Elemente den Krampf löst, lossteuernd auf eine
neue, freie Monumentalität. Oder die Kubisten
werden das Schicksal der rechtgläubigen Farben-
divisionisten teilen müssen, die von ihrer Doktrin
schliesslich in eine Sackgasse gefahren wurden.
Jedenfalls liegt hier ein Problem vor, das von ern-
sten Metaphysikern der Kunst und nicht von
müssigen, sensationsbedürftigen Köpfen aufge-
worfen wurde; dies Problem hat denn auch in
Frankreich und neuerdings in Deutschland eine
strenge literarische Betrachtung und Behandlung her-
vorgerufen.

DIE NATIONALGALERIE
UND DIE MODERNE KUNST

Unter diesem Titel hat Ludwig Justi einen Vortrag,
den er, mitten in der Revolution, Herrn
Haenisch, im Ministerium für Wissenschaft, Kunst und
Volksbildung gehalten hat, als Denkschrift erscheinen
lassen und diese dann an die Presse verteilt. Wieder
eine Denkschrift! Justi beweist immer deutlicher, dass
es ihn mehr interessiert am Schreibtisch den Möglich-
keiten einer zeirgemässen Umgestaltung der ihm anver-
trauten Kunstgalerie nachzudenken, als sich mit guten
Bildern und Skulpturen passioniert zu beschäftigen.
Jedermann hat eben die Interessen seiner Begabung;
undjustis Begabung ist mehr die eines Kunstadvokaten
als die eines Sammlers.

Advokatorisch ist seine Geistesrichtung auch inso-
fern, als er in seinen Beweisführungen eine gewisse
Spitzfindigkeit nicht verschmäht. Er legt in seiner Denk-
schrift die Schwierigkeiten dar, unter denen er hat ar-
beiten müssen. Diese Schwierigkeiten waren bekannt.
Sie sind auch von der Kritik stets berücksichtigt worden.
Über gewisse Grenzen hinaus gehen diese Schwierig-
keiten aber weder den Kritiker noch die Öffentlichkeit
an. Wir legen unsern Lesern, zum Beispiel, auch nicht
dar, warum unserer Zeitschrift viele UnVollkommen-
heiten anhaften, warum sie bei weitem, wie wir am
besten wissen, nicht ist und nicht sein kann, was uns als
wünschenswert sehr deutlich vor Augen steht. Die

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