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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 17.1919

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Heft 7
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Friedländer, Max J.: Originalität
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https://doi.org/10.11588/diglit.4754#0269
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ORIGINALITÄT

VON

MAX J. FRIEDLÄNDER

Trotz der gemeinsamen Wortwurzel bezeichnen
die Ausdrücke „originell" und „original"
Eigenschaften, die stark von einander abweichen.

Mit dem alltäglichen und abgenutzten „originell"
urteilen wir ausweichend, unmittelbar nachdem das
Kunstwerk eine durch Neuartigkeit erregende
Wirkung geübt hat, frappiert von einer Form,
einer Erscheinung oder einer Zusammenstellung, die
wir zum ersten Male zu erblicken meinen. Das Urteil
ist leer, als Lob flach, es ist vorläufig, da wir über das
Wesen der uns als fremdartig reizenden Schöpfung
wenig aussagen. Wir konstatieren einen Eindruck,
über dessen Ursache wir keine Klarheit gewonnen
haben, und sind noch ohne Erfahrung, ob die
Wirkung auch standhalte und sich bewähre.

Anders der Ausdruck „original", der ein ent
scheidendes Urteil verkündet, den wir nicht ge-
brauchen — oder doch nicht gebrauchen sollten —,
ohne in bezug auf die Ursache des Eindrucks
sicher zu sein. Das Kunstwerk bürgt uns mit
seinen Eigenschaften für diejenige Entstehungsart,

die allein den echtbürtigen Schöpfungen eigen ist.
Das Substantiv „Original" bezeichnet ja unzwei-
deutig den Gegensatz zu Kopie und Nachahmung,
geht also auf die SchafTensweise. Das deutsche
Wort „ursprünglich", das als treffende Übersetzung
fast stets für „original" eingesetzt werden kann
und den Vorteil der Anschaulichkeit für sich hat,
betont das Anfangshafte, wenn es auch mit dunkler
Hindeutung auf einen unterirdischen Vorgang da-
vor warnt, an Entstehung aus dem Nichts zu glauben.

Unter den deutschen Verben „machen, schaffen,
ausführen, herstellen, hervorbringen" sind die
ersten beiden leer in bezug auf die Arbeitsweise,
die drei anderen aber weisen auf eine bewegende,
ortsverändernde That. Das Kunstwerk muss irgend-
wie und irgendwo schon da gewesen sein, ehe
der „Urheber" es zu Tage förderte.

Gegen die Bibellehre wendet sich die
Sprache mit verschleiertem Zweifel, indem sie für
die Entstehung der Welt, die orthodox als Ent-
stehung aus dem Nichts zu betrachten ist, den

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