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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 18.1920

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Heft 6
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Scheffler, Karl: August Gaul: gelegentlich seines fünfzigsten Geburtstags
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https://doi.org/10.11588/diglit.4750#0258

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AUGUST GAUL

GELEGENTLICH SEINES FÜNFZIGSTEN GEBURTSTAGS

VON

KARL SCHEFFLER

Jeder Künstler bläst den Geschöpfen seiner Ge-
staltungskraft vom eigenen Lebensodem ein,
so daß sie von ihm und seiner Menschlichkeit
Kunde geben. Er kann in seine Gestalten nichts
hineinlegen, was nicht in ihm ist; und versucht
er es gewaltsam doch zu tun, so spürt das geübte
Auge gleich die Lüge. Er kann aber auch nichts
Wesentliches unterdrücken, weil beim Bilden der
ganze Mensch nach Ausdruck drängt. Die Werke
des Künstlers sind Gleichnisse; die Natur und
eine Seele erklären sich gegenseitig darin.

In diesem Sinne ist die Menschlichkeit August
Gauls von seinen Plastiken abzulesen. Zwei Eigen-
schaften leuchten hervor: Einfachheit und Gründ-
lichkeit. Der Mensch ist ruhig aber beharrlich. Er
zwingt darum auch die Tiere, die er darstellt, zur
Ruhe — zu einer statuarischen Ruhe, deren Strenge
sich nicht ohne Behaglichkeit gibt. Unter der Hand
Gauls werden alle Tiere ein wenig zu Haustieren,

sie alle freunden sich dem Menschen an. Die
Raubbestien sogar verlieren von .ihrer Wildheit
und halten den Vernichtungswillen zurück. Doch
geht diese Zähmung vor sich, ohne daß die Dar-
stellung — was bei Tieren doch so leicht möglich
ist — zum Genrehaften gerät. Mit großer Sicherheit
geht Gaul auf dem schmalen Weg einer persönlich
errungenen Meisterschaft dahin. Einer Meister-
schaft, die nicht frei ist vom Akademischen, dafür
aber ganz frei von der Willkür. Sie hat ihre
Wurzeln in der menschlichen Einfachheit und
Gründlichkeit des Künstlers, in seiner Ruhe und
Beharrlichkeit, in Handwerkertugenden, aus denen
unversehens das Schöpferische hervorbricht.

Neben Gaul gibt es keinen zweiten Plastiker,
der mit derselben Ausschließlichkeit Tiere darstellt.
Es hat während des ganzen neunzehnten Jahr-
hunderts nicht einen Tierbildhauer dieses Ranges
gegeben, der so sehr ein Spezialist gewesen wäre.

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