APOLLO UND DIANA VON LUKAS CRANACH
EIN GEDICHT
VON
ROBERT WALSER
Apollo:
Was suchte ich den ganzen Tag,
was hatte mir den Sinn geblendet?
Und nun es Abend worden ist,
die Sonne nur noch hie und da
vereinzelt einen Ast vergoldet,
sonst alles still ist im Revier,
ein leiser Wind sich noch bewegt,
wen trefF ich da nun an?
Diana:
Verwundert bin ich, und mit Recht.
Was tatest du den ganzen Tag,
nicht kennend deine eigne Neigung,
nicht fühlend deinen wahr'n Beruf,
nicht achtend die geduld'ge, ew'ge
Natur, und gänzlich mißverstehend
dich und das Leben ringsherum?
Apollo:
Ich jagte! Siehst du das nicht schon
an Pfeil und Bogen, die ich trage?
Diana:
Wohl seh' ich's, und ich schelte dich.
Apollo:
Da ich dich finde, ist die Jagd
mir herrlich, und ich preise sie,
denn nie ist mir ein schöneres,
entzückenderes Wild erschienen.
Nur ist dies nicht das rechte Wort:
Bild — hätt' ich eher sagen sollen.
Diana:
Zu schön bist du zu solchem harten
Geschäfte, und ich bitte dich,
leg' es von nun an völlig ab,
vergiß es und ergreif ein and'res.
Die blonden Locken, die du trägst,
der milde Blick in deinen Augen,
die bläulich sind wie Himmelslicht
und sanft wie Flut von Flüss' und Seen,
die liebenswürdige Geberde
und die gedankenvolle Stirn',
sie kündigen mir an, du habest
Seele und reicheres Talent
und seiest viel zu hochbegabt.,
als um den Jäger nur zu spielen.
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EIN GEDICHT
VON
ROBERT WALSER
Apollo:
Was suchte ich den ganzen Tag,
was hatte mir den Sinn geblendet?
Und nun es Abend worden ist,
die Sonne nur noch hie und da
vereinzelt einen Ast vergoldet,
sonst alles still ist im Revier,
ein leiser Wind sich noch bewegt,
wen trefF ich da nun an?
Diana:
Verwundert bin ich, und mit Recht.
Was tatest du den ganzen Tag,
nicht kennend deine eigne Neigung,
nicht fühlend deinen wahr'n Beruf,
nicht achtend die geduld'ge, ew'ge
Natur, und gänzlich mißverstehend
dich und das Leben ringsherum?
Apollo:
Ich jagte! Siehst du das nicht schon
an Pfeil und Bogen, die ich trage?
Diana:
Wohl seh' ich's, und ich schelte dich.
Apollo:
Da ich dich finde, ist die Jagd
mir herrlich, und ich preise sie,
denn nie ist mir ein schöneres,
entzückenderes Wild erschienen.
Nur ist dies nicht das rechte Wort:
Bild — hätt' ich eher sagen sollen.
Diana:
Zu schön bist du zu solchem harten
Geschäfte, und ich bitte dich,
leg' es von nun an völlig ab,
vergiß es und ergreif ein and'res.
Die blonden Locken, die du trägst,
der milde Blick in deinen Augen,
die bläulich sind wie Himmelslicht
und sanft wie Flut von Flüss' und Seen,
die liebenswürdige Geberde
und die gedankenvolle Stirn',
sie kündigen mir an, du habest
Seele und reicheres Talent
und seiest viel zu hochbegabt.,
als um den Jäger nur zu spielen.
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