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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 19.1921

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Heft 2
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4746#0087

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SCHMIDT-ROTTLUFF, ENTWURF FÜR DEN REICHSADLER

CHRONIK

DER NEUE REICHSADLER

Der Reichskunstwart, Professor Redslob — dessen Tätig-
keit, wie wir fürchten, die daran geknüpften Hoffnungen
enttäuschen wird, enttäuschen muß, wie die Dinge einmal
liegen — hat einen neuen Reichsadler von Schmidt-Rottluff
zeichnen lassen, nachdem der alte Adler im Kampfe der
Raubvögel unterlegen ist und sein Prestige verloren hat.
Er hat es gut gemeint, und Schmidt-Rottluff hat es auch
gut gemeint. Herausgekommen ist eine leidliche Schwarz-
weiß-Wirkung und eine gewisse Geschlossenheit der Form.
Von einer befriedigenden Lösung der Aufgabe ist sonst
aber nicht die Rede; und alle Uberredungsversuche Redslobs
sind in den Wind gesprochen. Absichtsvolle Primitivität
verhüllt die Erfindungsarmut bei diesem neuen Adler; er
ist flächenhaft nicht übel komponiert, aber er ist eigentlich
nichts anderes als eine Neuauflage des Döplerschen Adlers.
Er ist weder besser noch schlechter, er ist nach einer andern
Mode gezeichnet und die, die ihn preisen, verwecheln
wieder einmal „Stil" mit Qualität. Leider fordert der re-
publikanische Adler durch eine absichtliche Hölzernheit,
durch eine betonte Schießscheibenprimitivität Herrn Jeder-
mann zum Spott geradezu heraus. Und man darf nichts dazu
sagen, weil der Reichsadler ja für Herrn Jedermann da ist.

Alle Versuche, zeitgemäße, „symbolkräftige" Postmarken,
Reichsadler, Münzen usw. zu gewinnen, sind leider wohl
zu scheitern bestimmt. Solche Aufgaben könnte eigent-
lich nur eine gut und lebendig gebliebene Akademie lösen.
Wie sie in Frankreich noch besteht. Solche Aufgaben ver-
langen viel Tradition und selbst Sinn für Konvention. Es
kommt darauf an, etwas ganz Problemloses, etwas Allgemein-
gültiges mit Takt und Grazie zu tun. Wir aber haben nicht
eine lebendige Akademie, nicht anerkannte Traditionen,
nicht feste Konventionen. Bei uns gerät dergleichen ins
grob Banale und unintelligent Geschmacklose, wenn Aka-
demiker zugreifen, oder es wird gleich tendenzvoll ein Pro-
blem daraus gemacht, wenn die Gegner der Akademie be-
teiligt sind; bei uns beschäftigt sich mit diesen leichten
Dingen der mystisch schwere Ergründen Natürlich müssen
wir versuchen, diese Aufgaben so gut zu lösen wie es geht.
Aber es sollte ganz in der Stille, ganz nebenbei, ohne
Grundsätzlichkeit, Aufsehen und Programmatik geschehen.
Ohne Wettbewerb und Presse. Ohne den lächerlichen Ehr-
geiz, mit einer Briefmarke oder mit einem Reichsadler neue
Kultur einzuleiten.

K. Sch.

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