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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 19.1921

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Heft 3
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Scheffler, Karl: Ein Sommer: ein Skizzenbuch von Julius Pascin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4746#0116

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JULIUS PASCIN, AM STRAND. ZEICHNUNG

EIN SOMMER
EIN SKIZZENBUCH VON JULIUS PASCIN

T Ton Toulouse-Lautrec wird erzählt, er hätte
V seine schönsten Blätter der Yvette Guilbert oder
anderer Varietegrößen, er hätte seine unsterblichen
Illustrationen des Pariser Lebens oft gleich in den
Redaktionsräumen der Revuen, für die er arbeitete,
gezeichnet, im Kreise anderer Mitarbeiter, die Zi-
garette zwischen den Lippen, von dem, was er
eben darstellte, lebhaft erzählend und in dieser
Weise sich selbst anregend und anstachelnd. Unter
zynischen Bemerkungen und leichten Witzen, die
Reize des am gestrigen Abend Gesehenen mit
empfindlicher Phantasie nachkostend, gelang es ihm
dann, in lauter Andeutungen Extrakte zu geben
und jene Akzente zu zeichnen, die sich seinem
genial zusammenfassenden Blick eingeprägt hatten.

An solche Arbeitsweise mag man auch vor den
Zeichnungen Julius Pascins denken. Dieser Künstler
ist nicht nur der Arbeitsweise und dem Interessen-
kreise nach mit Lautrec verwandt, sondern er hat
auch ein ähnliches Naturell. Auch er ist vor allem
Zeichner und gehört zu denen, die man in Paris
die „Sous-Impressionistes" nennt; und auch er ist in

vielem ein Zögling der glorreichen französischen
Tradition, die sich ungezwungen bis zu den Zeich-
nern des achtzehnten Jahrhunderts, bis Watteau und
Fragonard zurückverfolgen läßt, obwohl Pascin
nicht Franzose ist, sondern aus Rumänien stammt,
in Wien und München wichtige Anregungen er-
fahren hat, um in Paris dann die Stadt seines
Schicksals zu finden. Freilich hat Pascin nicht
soviel Rasse wie Lautrec, er ist nicht so elastisch
und sprungbereit, nicht so bestimmt und sicher,
er ist nicht so klassisch. Er kann München und die
Atmosphäre des Simplizissimus nicht verleugnen.
Aber er ist doch von derselben Art. Auch er lebt
alles, was er zeichnet, und er zeichnet nur, was
ihm, dem Promeneur, entgegenkommt, was ihn
impressioniert und reizt.

Die Arbeitsweise Pascins hat der Hamburger
Maler Ahlers-Hestermann einmal in einem reizen-
den Aufsatz über den Künstlerkreis des Cafe du
Dome in „Kunst und Künstler" geschildert. Pascin,
erzählt er, „saß im Cafe, ließ sich Schreibpapier
bringen, und den Kopf dicht über den spitzfing-

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