Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 19.1921

DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:
Mayer, August Liebmann: Goya als Frauenmaler
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4746#0427

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
GOYA ALS FRAUENMALER

VON

AUGUST L. MAYER

Uberblickt man die lange Reihe der großen
europäischen Maler, die mit mehr oder min-
der großer Neigung bald nebenher, bald gewisser-
maßen im Hauptberufe Frauenbildnisse gemalt haben,
so fällt auf, daß sie, mit ganz verschwindenden Aus-
nahmen, in verschiedener Hinsicht einseitig genannt
werden müssen. Einmal ist es die sehr erklärliche
im Wesen des Künstlers beschlossene Tatsache,
daß er gern — und mag er seine Porträts noch so
individualistisch auffassen — einen gewissen Typus
rein formal wiederholt, daß ein gewisses Frauen-
ideal mehr oder weniger verkörpert wird. Weiter
ist der Umstand bemerkenswert, daß die meisten
Künstler die Frauen nur nach einer gewissen Seite
ihres Wesens veranschaulichen, daß sie in diesen
Frauendarstellungen fast nie den ganzen Reichtum
und die Kompliziertheit des weiblichen Wesens in
Linie und Farbe auszudrücken wissen. Zu den
wenigen Ausnahmen, zu den seltenen Künstlern,
die es verstanden haben, uns die Frau in allen
ihren physischen und psychischen Phasen mit

unübertrefflicher Lebendigkeit zu schildern, gehört
Goya. Er, dessen Genie so umfassend, so ge-
waltig war, hat auch hier — wie eigentlich kein
zweiter — schöpferisch gewaltet. Fern ist er von
jeder der eben kurz charakterisierten Einseitigkeiten
geblieben und hat es doch verstanden, bei all den
Unterschiedlichkeiten, den unzähligen Nuancen
und dem Aufgehen in der Eigenart der einzelnen
Persönlichkeit Geschöpfe und Schöpfungen von
unvergeßlich persönlichem Gepräge dem Kunst-
freund und dem Maler, dem Literaten und dem
Psychiater, den Verehrern und den Feinden der
Frau zu hinterlassen.

In Zeichnungen, Radierungen und Lithogra-
phien, in großen und kleinen Bildern, in Porträt-
köpfen und Gruppenbildern, in Kompositionen,
in Wandmalereien und in Teppichkartons, welche
Fülle von Gestalten, welche Spannweite mensch-
licher Empfindungen! Er malte das knospende
Mädchen und die zahnlose Alte, junge Frauen
gleich Blüten und zarten Träumen und abgeklärtes

415
 
Annotationen