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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 19.1921

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Heft 12
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Szkolny, Felix: Der Rechtsschutz gegen Fälschungen
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Schlegel, August Wilhelm von: Über Kunstkritik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4746#0454

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so bleibt dem Gericht nur übrig, die Klage des Käufers ab-
zuweisen. Der Marktwert eines Kunstgegenstandes, dessen
Echtheit die Gerichte beschäftigt hat und angezweifelt wor-
den ist, sinkt aber natürlich außerordentlich; nur selten ge-
lingt es, seine ramponierte Ehre wieder herzustellen. Daher
kann dem Käufer nur geraten werden, vor der Abnahme
mit der größten Sorgfalt zu prüfen und sich nicht auf den
Garantieschein zu verlassen. Denn bis zur Abnahme ist der
Verkäufer für die Echtheit beweispflichtig, auch wenn der
Kauf bereits fest abgeschlossen ist. Wird die Verjährungs-
frist gewahrt und gelingt der Beweis der Unechtheit, so
bietet der Garantieschein allerdings einen Vorteil: der Käu-
fer braucht sich nämlich nicht darauf zu beschränken, vom

Verkäufer Rückzahlung des Kaufpreises zu verlangen, son-
dern kann auch den entgangenen Gewinn fordern. Er darf
Kauflustigen gegenüber die ihm gemachte Zusicherung
wiederholen. Ihre objektive Unrichtigkeit fällt auf den Ver-
käufer zurück, der dem Käufer für den entgangenen Nutzen
aufkommen muß. Es kann auch nicht, wie das Kammer-
gericht kürzlich in einem Fall von prinzipieller Bedeutung
entschieden hat, von einem mitwirkenden Verschulden des
Käufers gesprochen werden. Dieser durfte sich auf die Zu-
sicherung des Verkäufers schlechthin verlassen, er war nicht
verpflichtet, vor dem Weiterverkauf des Bildes Sachverstän-
dige zuzuziehen, die noch ihrerseits ihm die Echtheit des
Bildes bestätigten.

ÜBER KUNSTKRITIK*

VON

A. W. SCHLEGEL

So wie bei der Sinnesempfindung durch Wiederholung
ähnlicher Eindrücke das Bewußtsein immer heller und
klarer wird, so ist es auch bei der Betrachtung des Schönen
und dem Kunstgenüsse. Wie wird nicht ein kindisches und
noch ganz neues Gemüt von jedem bunten Farbenspiel,
jedem lebhaften lärmenden Wechsel von Tönen ergriffen
und entzückt! Der Eindruck bei der ersten Bekanntschaft
mit solchen Gegenständen ist ein frohes aber gänzlich un-
bestimmtes Erstaunen, wie jeder Mensch sich aus seiner
Kindheit wird zu erinnern wissen; erst durch häufige L'bung
daran bekommt die freie Tätigkeit im Gemüte die Ober-
hand, und es lernt vergleichen und unterscheiden, also ur-
teilen, indem dies ja nichts anderes ist.

Die Fähigkeit, zu urteilen, beruht also darauf, daß man
die Eindrücke nicht ihrer Beschaffenheit, sondern ihren außer-
wesentlichen Bedingungen nach in seine Gewalt bekomme:
daß man sie festhalten, sie beliebig in der Erinnerung er-
neuern, sie mit andern zusammenstellen und ganze Reihen
von Eindrücken zu einem Gesämteindruck vereinigen könne.
Dies letzte ist das schwerste dabei und was man am späte-
sten lernt. Man wird finden, daß die meisten Menschen an
einem Kunstwerke nur das einzelne loben oder tadeln: von
dieser oder jener Schönheit daran, wie man es zu nennen
pflegt, sind sie ergriffen; das Ganze als solches aber ist für
sie eigentlich gar nicht vorhanden .... Und doch ist dieses
zu einer echten Kritik unumgänglich erforderlich. Freilich
hat es viele gegeben, die sich für Kritiker ausgaben und
weitläufige Kunstbetrachtungen schrieben und die doch hierzu
nicht imstande waren. Das sind besonders diejenigen, die
vorzugsweise oder gar ausschließend auf die sogenannte
Korrektheit gehen. Man kann diesem Worte zwar einen
gültigeren Sinn unterlegen; sie meinen aber damit eine Voll-
kommenheit der einzelnen Teile des Kunstwerks und zwar
bis in die kleinsten hinein, die ohne Beziehung auf das

* Dieses sind einige schöne Anmerkungen zum Wesen der Kunstkritik, die
vor mehr als hundert Jahren gemacht worden, aber immer noch aktuell sind.
Sie stehen in Schlegels ,,Vorlesungen über schöne Literatur und Kunst", Erster
Teil i8ot—1802 „Die Kunstlehre".

Ganze stattfinden soll. Man könnte dies die atomistische
Kritik nennen, indem sie ein Kunstwerk wie eine Mosaik,
wie eine mühsame Zusammensetzung toter Partikelchen, be-
trachtet; da doch jedes, welches den Namen verdient, orga-
nischer Natur ist, worin das Einzelne nur vermittelst des
Ganzen existiert.

.... Mit welcher Kraft des Geistes aber auch die Kritik
geübt und zur Fertigkeit gebracht werden mag, so bleibt
doch immer etwas subjektives in den Urteilen zurück. Denn
wir werden von einem Kunstwerk nicht bloß als Menschen,
sondern als Individuen affiziert, und das noch so ausgebil-
dete Gefühl steht immer unter individuellen Beschränkungen.
Da es also durchaus keine "Wissenschaft gibt, welche rein
objektiv, allgemein gültig urteilen lehrte, so bleibt nichts
anderes übrig als sich seiner Persönlichkeit dabei bewußt zu
sein, die liberal zu behandeln und so viel wie möglich in der
Art der Mitteilung mit auszudrücken. Es ist daher nichts
verkehrter, als mit pedantischer Methode über Kunstwerke
zu schreiben, wie manche Kritiker tun, weil sie es ihrer
Würde als sogenannte Kunstrichter schuldig zu sein glau-
ben. Auf diese Art wird unter gleichgültigen Formeln alles
Charakteristische ausgelöscht, statt daß hier gerade die keck-
sten, geistreichsten und unmittelbarsten Äußerungen des Ge-
müts an ihrer Stelle sind. Mit einem Worte, was seinem
Wesen nach notwendig individuell sein muß, sei es auch
in der Form.

*

Wenn man .... erwägt, daß auch die Kenntnis von den
Mitteln einer Kunst oder von der technischen Theorie, die
bei manchen Künsten eine so weitläufige Wissenschaft ist,
mit dazu gehört, so wird es einleuchtend, daß es erstaunlich
schwer ist, in irgend einer Kunst zu einer bedeutenden Ken-
nerschaft zu gelangen, daß man leicht einen großen Teil
seines Lebens damit zubringen kann, und daß die Energie
und Gewandheit des Geistes, welche dazu gehört, sogar
mehrere Künste als Kenner zu umfassen, eine große Selten-

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