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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 20.1922

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NEUE BÜCHER

man es sei«"
,erichtet vier«

Max J. Friedländer, Albrecht Dürer. (Deutsche
Meister. II.) Leipzig, Insel-Verlag 1921.

Der Charakter des neuen Buches, das Friedländer über
Dürer herausgegeben hat, wird durch die Absicht der
Serie, in der es erschienen ist, bestimmt. Solche Reihen
wenden sich für gewöhnlich an ein großes Publikum, das
zuverlässig belehrt werden möchte ohne auf Einzelheiten
der Forschung einzugehen. Daraus ergibt sich die Gefahr,
daß Autoren, die von diesen Einzelheiten wenig Bescheid
wissen, sich solcher Aufgaben bemächtigen, um sie dadurch
zu erledigen, daß sie die aus Handbüchern leicht geschöpften
Daten mit einer literarischen Brühe eigenen Rezeptes über-
gießen. Wenn indessen die Aufgabe ernsl genommen wird,
so ist nur der Forscher und Kenner berufen, die Summe
seiner Wissenschaft in Kürze auszubreiten — vorausgesetzt,
daß er das literarische Rüstzeug dafür mitbringt. So ver-
standen, kommen nur Wenige in Betracht. Reif sein ist
alles. In diesem Falle gilt es ganz besonders, da die
Schwierigkeit in der Auswahl besteht. Was muß gesagt
werden? Was ist entbehrlich? —

Friedländer ist vorzugsweise berufen, von Dürer zu
sprechen, da er das gesammte Material aus eigener An-
schauung kennt und seinem Helden in vielfacher eigener
Forschung nachgegangen ist, weil sein Urteil gereift ist
und seine literarische Kultur vollendet. Gerade in unserer
Zeit eines manchmal bis zur Unerträglichkeit geschwollenen
Kunstgeschreibes tut es wohl, die schlichte Gepflegtheit
seiner Sprache zu lesen. In einer Reihe von kurzen Kapiteln
wird ohne ästhetische oder sentimentale Erörterungen ge-
lassen vom Leben und von der künstlerischen Entwicklung
Dürers an der Hand der Denkmale berichtet, ausgehend
von einem Hinweis auf die hauptsächlichen jetzt noch in
Betracht kommenden Erscheinungen der Dürer-Literatur.
In der allgemeinen Bewertung von Dürers Persönlichkeit
und Werk folgt Friedländer Wölfflin, vor dem er
indessen den Vorzug einer genauen Denkmälerkunde
und des schärferen Kennerblicks voraus hat. In welchem
Maße Seite für Seite die oft in einem Satz formulierten
Urteile auf kritische Prüfung zurückgehen, das kann nur
der Kundige ermessen. Da auf Einzelheiten nicht ein-
gegangen ist, soll es auch hier nicht geschehen. Für
unseren Leserkreis genügt der Hinweis darauf, daß das
wichtigste Problem in der Auffassung von der Tätigkeit des
jungen Dürer liegt. Hier stehen sich zwei Heerlager oder,
bescheidener gesagt, zwei Fähnlein gegenüber. Die einen
beharren im wesentlichen bei der in den älteren Handbüchern
vertretenen Meinung, nach der uns aus der Zeit vor dem
Erscheinen der Apokalypse (1498) nur weniges von Dürer
bekannt wäre. Die andern glauben sich berechtigt, die
auffallende hier klaffende Lücke auszufüllen. Für sie ist
es ausgemacht oder doch höchst wahrscheinlich, daß aus
der Zeit von Dürers Wanderjahren (1490—1494) eine kleine
Anzahl von Gemälden und eine Menge von zumeist in
Basel entstandenen Holzschnitten und Zeichnungen vor-
handen sind. Friedländer bekennt sich zu den Letzteren.

Mit der ihm eigenen Unparteilichkeit weist er indessen am
Schluß seiner Vorrede den Leser ausdrücklich darauf hin,
daß seine Auffassung bestritten sei. Der Verfasser dieses
gehört zu den Gesinnungsgenossen Friedländers und hat
in dieser Angelegenheit etliche Lanzen gebrochen. Seiner
Überzeugung nach beruht ein besonderer Wert des Buches
in der Darstellung der ersten Kapitel; denn es ist erwünscht,
sogar notwendig, daß die neuen Züge im Gesammtbilde
Dürers nicht nur in Artikeln der Fachzeitschriften, sondern
endlich auch einmalin einer alles überblickenden Monographie
deutlich aufgezeigt werden.

Eine Reihe von über hundert vortrefflichen Reproduk-
tionen illustriert den Band. Auf dem Titelblatt steht eine
Abbildung des Braunschweiger Buchsbaummedaillons. Mit
Recht; denn diese scharf geschnittenen vornehmen Züge
enthalten wohl das allertreueste Bildnis Dürers in seinen
späteren Jahren.

Gustav Pauli.

Peter Jessen, der Ornamentstich. Verlag für
Kunstwissenschaft, Berlin 1920.

Wer sich mit dem Ornamentstich beschäftigte, war bis-
her außer auf Einzeluntersuchungen auf die beiden Kataloge
des Berliner und des Wiener Kunstgewerbe-Museum ange-
wiesen. Das vorliegende Buch gibt die erste zusammen-
fassende Darstellung. Geschrieben mit einer Sachkenntnis,
die sich auf jahrelange aufbauende Sammlertätigkeit gründet,
ist es verschwenderisch in der Fülle des Materials, quellend
wie die Ornamentgestaltung selbst. Der Weg des Berliner
Katalogs, die Gliederung nach sachlichen Gesichtspunkten, ist
verlassen. Die Stile werden in ihren verschiedenen Aus-
lösungen bei den Deutschen, Franzosen, Italienern und zuletzt
auch bei den Engländern gesondert betrachtet. Auf theore-
tische Erörterungen, zu denen das Ornament verführt, das
gleichsam die Formel der Entwicklungsstadien, die Mathematik
der Stile darstellt, ist verzichtet. Hilfsgerüste werden über-
flüssig, wo der tägliche Umgang mit den Originalen die
Gegenstände zu lieben, langgewohnten Freunden macht.
Wer das Buch zu lesen versteht, wird eine Fülle tiefein-
gefühlter Charakteristiken finden, Bemerkungen, die das Wesen
nicht nur des einzelnen Künstlers oder besonderer Kunst-
formen erhellen, sondern das Wesen des Stils treffen, und
dem Buch einen Wert weit über den des Handbuchs geben.
Fragen und Anregungen mannigfaltiger Art tauchen auf.
Der Ornamentstich entsteht aus der einheitlichen Werkkunst
der Edelschmiede. Mit der werdenden Renaissance, da sich
die Formen klären und isolieren, trennt sich auch die Arbeit
des Ornamentstechers von der des Handwerkers. Der eine
gibt die Form, der andere das Schmuckmotiv. Man geht
darin so weit, daß man die Stecher eo ipso ausnützt, auch
ihre bildmäßigen Blätter verwendet, so wie umgekehrt häufig
die Nutzgraphik durch die Intensität ihrer Gestaltung sich
zu einer von allen Schranken freien Kunst erhebt. Daneben
findet man vereinzelt bei Altdorffer und Hopfer, häufiger
dann bei Holbein und den Künstlern der folgenden Gene-

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