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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 20.1922

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Heft 3
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Scheffler, Karl: Neue Radierungen Hans Meids
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https://doi.org/10.11588/diglit.4747#0097

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Schluß, ein Blatt wie den „Verlorenen Sohn" zu
radieren, einen Stoff, der die opernhafte Behand-
lung nicht verträgt und der wie von selbst Be-
rührungen mit den alten Meistern der deutschen
Zeichnung herbeiführt, mußte zu einer Revision
führen. Unsere Abbildung zeigt, was an Zuwachs
gewonnen worden ist.

Solche Blätter wünschen wir uns oft von Meid.
Denn darin liegt eine Garantie, daß er seiner Ge-
schicklichkeit nicht zuviel vertraut, daß er mit der
Freiheit der Niederschrift nicht die Laune des
Manieristen verwechselt. Wir wünschen es uns
um so mehr, als Meid in der Eigenschaft eines
Lehrers an der Berliner Kunsthochschule stark auf
seine Schüler wirkt, und weil es wichtig ist, ob
er auf sie einen Stil oder eine Manier überträgt.
Es war neulich einmal die Rede davon, ein Ver-
lag wolle eine Mappe mit Radierungen von Meid-
schülern herausgeben. Ein solcher Unfug sollte
vom Lehrer selbst verhindert werden. Denn es
kann und darf nur einen Hans Meid geben. Fehlt

im geringsten diese Leichtigkeit und Treffsicher-
heit, diese Fähigkeit, das Dekorative auf Natur-
anschauung und die Stimmung auf Impressionen
zurückzuführen, so fehlt das Entscheidende. Dieser
Kaltnadelstil balanziert auf dünner Schneide: hier
droht die Willkür, und dort die Systematik. Die
Schüler müssen darum zu Meid ungefähr in dem-
selben Verhältnis der Selbständigkeit stehen, wie
Meid einst seinem Lehrer Trübner gegenüber-
stand.

Die Anstrengungen, die Meid in den letzten
Jahren gemacht hat, seine Form wieder mehr mit
Natur und Bedeutung zu füllen, und das reizvoll
Zufällige in ein festes, wenn auch locker er-
scheinendes Kompositionsgesetz zu bannen, ver-
bürgt mehr als alles andere Erfolg, dem Künstler
und dem Lehrer. Durch diese schönen und
erfolgreichen Anstrengungen bleibt Meid auch
in der Gunst der Kunstfreunde und Sammler, er
sichert sich dadurch den Platz in der Geschichte
der deutschen Radierung, den er sich erobert hat.

HANS MEID, ILLUSTRATION ZU LENAUS „FAUST"
DIE WARNUNG

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