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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 21.1923

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Foerster, C. F.: Die Jubiläums-Ausstellung des Kaiser-Friedrich-Museum-Vereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.4655#0045

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die ein Vestibül der Gemälde-Galerie in vier provisorischen
Kabinetten vereinigt zu sehen waren, den Charakter einer
zufälligen Auswahl aus den verschiedenen Abteilungen des
Museums trug, zu deren Bereicherung und Ergänzung die
einzelnen Stücke sonst dienen. Unter diesen sind vielmehr
so viele, die zum allerbesten gehören, was das Museum in
ihrer Art aufzuweisen hat, daß deutlich zu erkennen war,
wie der Verein eben immer da eingesprungen ist, wo es
galt, unwiederbringliche Werte festzuhalten, die aus öffent-
lichen Mitteln nicht hätten erworben werden können. Auf
diese Weise bot die Ausstellung das Bild einer in der
Qualität höchst einheitlichen und in ihrer Mannigfaltigkeit
sehr anregenden Auslese, in welcher der mit den Schätzen
des Museums Vertraute viele seiner Lieblinge mit freudiger
Überraschung wiederfinden und umsoinehr genießen konnte,
als manches Werk hier wesentlich besser zur Geltung kam
als in den oft leider notgedrungen überfüllten Sammlungs-
räumen.

Unter den deutschen Gemälden des Vereins fesselten
neben Schongauers Anbetung der Hirten und Dürers Mädchen-
bildnis von 1507 vor allem zwei Bildnisse: der farbig über-
aus reizvolle, stille Frauenkopf des seltenen Jakob Eisner
und der prächtige Graf zu Löwenstein Hans Baidung Griens.
Der große Wandteppich mit der Bekehrung Pauli nach dem
Entwurf desselben Meisters, ein in seiner Art einziges
Monumentalwerk, zeigt, wie sehr Baidung den meisten
seiner Zeitgenossen an dramatischer Gestaltungskraft über-
legen ist. Ein eigenartiger Zufall wollte, daß das einzige
deutsche Werk der Ausstellung, das es an Kraft des Aus-
drucks und innerer Größe mit ihm aufnehmen kann, gerade
unter den Kleinplastiken zu finden war. Es ist das Nuß-
baumrelief der Beweinung Christi von Hans Leinberger,
dem auch die kleine niederbayrische Birnholz-Gruppe des
Sebastians-Martyriums in geistiger und formaler Hinsicht
nahesteht. Der Zug zum Genrehaften und zum Idyllischen
dagegen, welcher der deutschen Renaissance besonders
eigentümlich ist und so häufig dem dramatischen Ausdruck
entgegenwirkt, zeigte sich hier am reinsten und anmutigsten
wohl in der großen schwäbischen — oder vielleicht augs-
burgischen — Holzgruppe der Hl. Anna Selbdritt, dem
schwäbischen Hausaltärchen mit dem fröhlichen Kinderge-
wimmel der Heiligen Sippe und den beiden Kleinbronzen
Pankraz Labenwolfs, die einen Bauern und eine Bäuerin
darstellen, die zu Markte ziehen. Unter den größeren Bild-
werken des Vereins, von denen übrigens ein Teil wegen
Raummangels der Ausstellung fernbleiben mußte, verdienen
hier ferner noch Erwähnung Adam Krafts steinerne Wappen-
halterin von der Treppe des Imhofschen Hauses in Nürnberg
und düe beiden weiblichen Heiligen des Matthäus Kreniss.

In der Reihe der frühen niederländischen Bilder obenan
stehen die ergreifende kleine Kreuzigung Hubert van Eycks,
die seit dem Verlust des Genter Altars für die Galerie wenn
möglich noch an Wert gewonnen hat, und das Männer-
bildnis des Meisters von Flemalle, das wohl jedem empfäng-
lichen Beschauer unvergeßlich bleibt. Unter den Nieder-
ländern des siebzehnten Jahrhunderts, denen das zweite
Kabinett eingeräumt war, bildete auf Seiten der Flamen
den Höhepunkt die Landschaft mit dem Schiffbruch des
Aeneas von Rubens, der mit dem Bildnis des Jean van

Ghindertalen auch als Porträtist vei treten war, auf Seiten
der Holländer der Mann mit dem Goldhelm von Rembrandt.
Auch eine kleine Bildnis Studie eines jungen Juden gehört
zum Besitz des Vereins. Daran schlössen sich die Werke
der holländischen Landschafter und Genre-Maler, wie Jakob
van Ruysdaels Klosterruine, Pieter Moleyns Abend, der
zauberhafte kleine Mondaufgang Aert van der Neers, Paul
Potters Stier, Pieter de Hoochs Goldwägerin und Terborchs
Pärchen beim Wein. Den Abschluß bildete die farbig wie
darstellerisch gleich reizvolle Szene aus Molieres »Malade
Imaginaire«, in der sich Cornelis Trevst als würdiger Nach-
fahr der großen Kleinmeister des siebzehnten Jahrhunderts
erweist.

Das dritte und vierte Kabinett beherbergten die italieni-
schen Gemälde und Bildwerke. Hier liegen als Haupt-
stücke unter den frühen Gemälden Giottos Marientod und
die fünf Tafeln von Ugolino da Sienas Altarwerk für Sta.
Croce, umgeben von kleineren Bildern der Sienesen und
Florentiner, wie Scinone Martinis Grablegung, Masaccios
Vier Heiligen und Pesellinos, wie Email leuchtendem Täfel-
chen mit dem gekreuzigten Christus. Dem reiferen Quattro-
cento gehört Fra Filippo Lippis figurenreiche Legenden-
Darstellung, aus deren Raumgestaltung die Lust der Früh-
renaissance an ihrer neugewonnenen Einsicht in das Pro-
blem der Perspektive in ähnlicher Weise spricht wie aus
der, Piero della Francesca zugeschriebenen, großen Archi-
tektur-Vedute, die hier in ihrer isolierten, niedrigen Auf-
stellung von überraschender Wirkung war. Geringer an
Zahl sind die Arbeiten der Hoch-Renaissance, deren größte
und bedeutendste Tintorettos visionäre Verkündigung ist.
Sebastiano del Piombos Bildnis einer schönen Römerin als
Judith befand sich hier in der Nachbarschaft zweier Ge-
mälde, die zu lehrreichen Vergleichen mit diesem frühen
Beispiel eines eleganten „portrait historie" anregen konnten.
Das eine ist das gleichzeitige, schlicht und eindringlich cha-
rakterisierte Männerbildnis des Jacopino del Conte, das andre
die um ein Jahrhundert später gemalte Judith-Darstellung
des Genuesen Bernardo Strozzi, die in ihrem üppigen Kolorit
zu den stärksten malerischen Eindrücken der Ausstellung ge-
hörte. Eine Gruppe für sich bildeten die Venezianer des achtzehn-
ten Jahrhunderts, deren Mittelpunkt Tiepolos herrliche Skizze
zu der Kreuztragung in S. Alvise war. Neben ihm ist Fran-
cesco Guardi mit zwei Veduten und dem Ballonaufstieg des
Conte Zambeccari vorzüglich vertreten, ferner Giovanni
Battista Piazetta, von dem der Verein in den letzten Jahren
ein charakteristisches Selbstporträt und ein Frauenbild hat
erwerben können. Wenigstens trägt das letztere von alters
her den Namen dieses Künstlers, zu dessen temperament-
voller Helldunkelmalerei die lichte Farbe und heitere, ge-
sättigte Ruhe dieses ungemein anziehenden Bildes nicht
recht passen will.

Ebenso wie von den deutschen Bildwerken hatte auch
von den italienischen ein Teil der umfangreicheren an dem
gewohnten Standort bleiben müssen. In der Ausstellung
standen unter anderem Sperandios imposante Tonbüste des
Nicolo Sannti, der lesende St. Bernhardiner von Nicolo dell'
Area und Montorsolis wildbewegtes Tonmodell einer schrei-
enden halbliegenden Frau; dann, von größeren Bronzen,
die dem Antonio Lombardi nahestehende Statuette des

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