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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 21.1923

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Heft 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.4655#0118

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giltigen bewußten Scheidung von Außen- und Innenwelt,
von Natur und Geist, das Sinnbild für die grundsätzliche
Richtung auf das Innentum schlechthin, für die völlige Auf-
gabe der wesentlichen Spannung zwischen dem bewegten
Herzen des Künstlers und dem gegebenen Element der Natur,
aus dessen bewältigtem Medium er einzig sein Herz kann
sprechen lassen. Es gibt keine Analogie der gesamten
Geschichte — Spengler verzeihe es mir! — die hier Ausblicke
geben könnte: die Kunst wie sie war seit Menschengedenken
scheint vorüber zu sein. Die alte Natur ist ausgeschöpft: was
heute an Gotik und Impressionismus, an Primitivem und
Antikem produziert wird in Architektur, Kunst und Kunstge-
werbe ist, wenn nicht subjektiv, so objektiv unwahr. Die
künstlerische Sichtbarkeit einer neuen, in anderer Substanz
und Dimension erstehenden Natur muß erst gefunden werden
und, wie die Zeichen deuten, auf einem anderen Weg als
dem, den seit je die Kunst gegangen. Emil Preetorius.

Hans Börger: Die antiken Münzen und die
Medaillen der Kunsthalle zu Hamburg. Führer und
Verzeichnis der Schausammlung.

Diese nicht sehr umfangreiche Katalog-Publikation ist
fast etwas wie ein Handbuch der Münz- und Medaillen-
kunde geworden. Auch für den, der die ausgezeichnete
Schausammlung der Hamburger Kunsthalle nicht kennt und
nicht alles an Ort und Stelle nachprüfen kann, bietet es
mit seinen Abbildungstafeln und Einleitungskapiteln einen
wissenschaftlich zuverlässigen Überblick über dieses schöne
Gebiet der Kunst. Gerade dadurch, daß die Hamburger
Schausammlung nicht sehr groß ist und man sie in ein
paar Vormittagsstunden kennen lernen kann, bleibt die Er-
innerung an sie lebendiger als ein Besuch eines der großen
Münzkabinette für den NichtSpezialisten sein könnte, und
in dieser Erinnerung greift man dann, um sich weiter und
neu zu belehren, gern zu dem schön ausgestatteten Buch.

Professor Börger gliedert seinen Stoff organisch: Griechen,
römische Republik, römische Kaiser, italienische Renaissance-
Medaille^, Barock, Klassizismus. Die Höhepunkte der Dar-
stellung liegen durchaus im ersten Kapitel und in dem
Kapitel über Antonio Pisano und die Seinen; ohne daß
darum Ungerechtigkeit eingerissen wäre gegen die bedeutende
Bildniskunst unter den römischen Kaisern und die historische
Bedeutung der Römermünzen übeihaupt; oder gegen die
feinsten Dinge des Barock. Natürlich ist es schwer, end-
lose Reihen von Römern anzusehen, wenn man vorher die
herrlichen Münzen von Svrakus und Tarent, von Aenus
und Pergamon in der Hand gehabt hat und sicher gehört
einige Resignation dazu, nach Antonio Pisano noch den
Medaillen unter Louis XIV. künstlerisches Interesse abzuge-
winnen. Aber Professor Börger ist nicht nur Kunstfreund (was
in seinen drei gleichzeitig erschienenen „kleinen Führern"
besonders zutage tritt), sondern bei aller Begeisterung für
die schönsten Dinge doch Gelehrter und Spezialist. So
führt er in seiner Darstellung das ganze Gebiet vor, über-
all die Akzente richtig setzend, aber bei toten Strecken der
Entwicklung auch noch immer anregend, mindestens in

kulturhistorischem Sinne anregend. Man erfährt von ihm
.neben einem großen Stück Kunstgeschichte alles wichtige
über die Technik und die Geschichte der Münze, über
Handelsverhältnisse und Geldverhältnisse der antiken Welt
im allgemeinen, über Künstlergeschichte im Quattrocento
und in den späteren Epochen. Wer sich mit diesem Kunst-
gebiet beschäftigen möchte, tut gut daran (allgemeine Bil-
dung vorausgesetzt), dieses Handbuch zu lesen und sich dann
die Hamburger Sammlung anzusehen. Aus altem Besitz
herausgewachsen, ward sie, besonders durch ebenso glück-
liche wie zielbewußte Ankäufe der letzten Jahre zu einem
schönen Organismus. Trotzdem sie Schausammlung ist,
kommt das Wissenschaftliche vollkommen zu seinem Recht.
Die Rückseite der nicht vollgepfropften Schaupulte enthalten
Ergänzung durch sehr sorgfältig ausgewählte Abgüsse von
wichtigen Stücken, die im Original fehlen; und der kundige
Thebaner allein weiß, wie schwer es ist, solche Abgüsse
heute zu sammeln, wenn man, wie es hier geschehen ist,
Wert darauf legt, von jedem Meisterwerk immer nur das
schönste Exemplar und dieses in der besten Erhaltung zu
zeigen. Die Katalogisierung und Beschreibung der einzelnen
Stücke, übersichtlich angeordnet, ist so erschöpfend wie
knapp. Alles Wissenswerte, z. B. bei antiken Münzen das
Gewicht, ist verarbeitet, zeitgeschichtliche Notizen nicht
weniger als bei Bildnissen, Personal-Angaben für die dar-
gestellten Persönlichkeiten.

Die „Wiedererweckung der Medaille" ging von Hamburg
aus, wenigstens theoretisch. Und man ist gespannt, wie
der zweite Band dieser Publikation, der das neunzehnte
Jahrhundert und die Gegenwart umfassen soll, aussehen
wird. Ob sehr viel von Roty und Dubois, von Charpentier
und Grasset geblieben sein wird? Und wieviel von den
modernen Deutschen seit Hildebrand, Hahn und Roemcr?
Vielleicht fehlte der Wiedererweckung der Medaille doch
ein wenig der Anschluß nach rückwärts und vielleicht galt
damals Antonio Pisano noch zu sehr als „alte Kunst".
Hubert Ponscarme und gar David d'Angers, weitaus die
Wichtigstens Medailleure des neunzehnten Jahrhunderts,
mußten allzulange in den Schatten zurücktreten hinter die
Modegrößen wie Roty e tutti quanti. Hier gilt es, die Wer-
tungen neu hinzustellen und Irrtümer auszugleichen. Denn
weniger als je darf man heute dieses Gebiet der Kunst als
Nebenwerk und Spezialistenspielerei abtun wollen. Die
künstlerische Gestaltung unseres'Geldwesens, wenn wir je-
mals wieder Hartgeld bekommen sollten, war bis zuletzt ein
ebenso großer Skandal, wie es heute die künstlerische Ge-
staltung unseres Papiergeldes und unserer Briefmarken ist.
Dergleichen Lächerlichkeiten, wie wir sie uns dauernd ge-
fallen lassen, ließ sich keine frühere Verfallsepoche bieten,
weil in ihnen die Erinnerung an vergangene Größe doch
nie ganz ausstarb. Wer das Münzbild des Hermes von
Aenus, eine der herrlichsten Neuerwerbungen der Ham-
burger Sammlung, nur ein einziges Mal aufmerksam ange-
sehen hat, wird nie vergessen können, wie die Höhepunkte
eines vergleichsweise sehr kleinen Sondergebietes aussehen
können. E. Waldmann.

EINUNDZWANZIGSTER JAHRGANG, DRÜTTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 17. NOVEMBER. AUSGABE AM I. DEZEMBER
NEUNZEHNHUNDERTZWEIUNDZWANZIG. REDAKTION: KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON BRUNO CASSIRER, BERLIN
GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR. RICHTER, G.M.B.H., LEIPZIG
 
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