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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 21.1923

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Heft 9
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Glück, Heinrich: Die christliche Kunst des Ostens
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https://doi.org/10.11588/diglit.4655#0276

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MARIA UND ELISABETH, JAKOBUSKODEX (VAT. GR. NR. 1162) ROM UM 1100.

DIE CHRISTLICHE KUNST DES OSTENS

VON

HEINRICH GLÜCK

Das Christentum erwuchs nicht aus einer ein-
heitlichen Kultur, nicht aus dem Geiste eines
Volkes. Zwei Machtkreise standen einander gegen-
über, in deren Brennpunkt es entstand. Im Westen
hatte Rom die Höhe der antiken Zivilisation er-
reicht, der ganze Mittelmeerkreis unterstand seiner
organisierten Macht. Im Osten aber drängten —
das ewige Gesetz orientalischer Geschichte wieder-
holend — die jungen Völker der Wüsten und
Steppen zur Entfaltung. Noch konnten die an-
dringenden arabischen Stämme auf Jahrhunderte
in Schach gehalten werden, vom Iran aus hatten
aber die Parther unter der Herrschaft der Arsa-
kiden, dann die persischen Sassaniden den orien-
talischen Weltreichgedanken neu erstehen lassen,
und nicht nur einmal konnten sie sich des Sieges
über den Römer erfreuen. Was da in der äuße-

ren Geschichte der Machtpolitik greifbar ist, gilt
nicht weniger für die Kulturen des damaligen Welt-
bildes. Zwei völlig fremde Welten trafen aufein-
ander. Der Westen, auf alten eigenen Überliefe-
rungen bauend, hatte die jugendliche Urkraft
schöpferischen Volksgeistes, die in den Mythen
und Sagen einer aus Naturgewalten geschöpften
Religion und in der strengen Gesetzmäßigkeit
seiner alten Kunst ihren Ausdruck fand, längst
durch zivilisatorische Organisation, durch die be-
wußte Rückschau auf die alten Volksgüter, die
Bildung, und durch die aus der sozialen und geisti-
gen Differenzierung entsprungene Macht der Per-
sönlichkeit ersetzt. Dort aber, im Osten, nehmen
junge Völker den alten Kulturboden in Besitz,
selbst noch unbeschwert von zivilisatorischer Be-
wußtheit, aber stark und fruchtbar in einem volks-

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