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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 21.1923

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Heft 9
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Kunstausstellungen
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UNSTAUSSTELLUNGEN

BERLIN
Die Aprilausstellung in der Galerie
Ferdinand Möller enthielt Bilder von
Ch. Crodel und Plastiken von Richard
Scheibe.

Scheibe ist ein Bildhauer (und Zeichner) von innerer
Kultur. Er ist ein Plastiker des kleinen Formats, der allen
seinen Arbeiten — den Bildnissen, den Statuetten und Tier-
bronzen — eine eigene schwermütige Anmut zu geben weiß.
Seine Kunstbildung drängt sich nicht vor, sein Stilisieren
ist nicht tendenziös, seine Formbehandlung ist voller Emp-
findung. Scheibes Kunst ist eine sanfte Elegie. Sein frauen-
haft zartes Barock erscheint leicht mongolisiert; immer
klingt von fern etwas Ostasiatisches an und macht die streng
zurückhaltende Form pikant. Er versteht mit einem geist-
reich gesetzten Schatten zu akzentuieren, durch die Behand-
lung der Silhouetten und Flächen eine romantische Stimmung
zu erzeugen und das Material lebendig zu machen. Scheibe
ist innerhalb seiner Grenzen ein echter Plastiker, und er
gehört zudem der kleinen Gruppe von Bildhauern an, die
etwas Dichterisches, die eine höchst persönliche Lyrik in
Stein, Terrakotta, Holz und Bronze ausdrücken können.
Während er wie ein guter Handwerker arbeitet, nimmt die
Stimmung einer scheu sich zurückhaltenden schönen Seele
wie von selbst Gestalt an.

Ch. Crodel gehört zu jenen Malern, die erst in reiferen
Jahren, von einem andern Beruf her, zur Malerei gekommen
sind. Lösung der Begabung durch den Krieg. Er meint
es mit seinem Tun sehr ernst, hat aber die Nachteile
seiner Lage zu tragen. Diese Nachteile zeigen sich zum
Beispiel darin, daß die Bilderwände im ganzen besser wirken
als die einzelnen Bilder, und daß die einzelnen Bilder im
ganzen besser sind als in den Einzelheiten. Die Einsicht
ist reif und weiß wie es sein soll, aber die Hand ist noch
unsicher, es fehlt an genügender Erfahrung. Je besser
die Naturanschauung erhalten ist, desto stärker wirken die
Bilder. In diesem Sinne fallen Werke wie der Bauernhof
in Cospeda (1922) oder der Mann mit dem gelben Sack
wohltätig auf. Sonst ist viel Atelierhaftes in der Arbeitsweise
und auch etwas Dekoratives, das nicht ohne Manierismus
ist. Alle Bilder haben etwas vom Linoleumschnitt. Auch
stört ein Infantilismus, der nicht ohne Künstlichkeit ist. Die
Begabung wurde zumeist dem die ganze Ausstellung sum-
marisch überschauenden Blick offenbar. Man mußte an alte
deutsche und niederländische Meister denken und konnte die
Ähnlichkeit doch in keiner Einzelheit feststellen. Den Namen
wird man sich merken und abwarten, ob das Können im ein-
zelnen der Einsicht nachkommen wird, ob der Sinn für Natur
stärker sein wird oder die Systematik der Zeit. K. Sch.

KRONPRINZENPALAIS
T~Nie Verwaltung der Nationalgalerie und des Kronprinzen
-L^palais straft meinen „bösen Willen" dadurch, daß sie
mir Einladungen zur Eröffnung von Ausstellungen und
Mitteilungen über neue Veranstaltungen nicht mehr schickt.

Die Ausstellung des Malers Dülberg ist dadurch meiner
Aufmerksamkeit entgangen. Vielleicht sollte sie's. Die
Ausstellung der Plastiken und Zeichnungen Edwin Scharffs
hatten die Tageszeitungen aber rechtzeitig gemeldet. Und
sie haben auch mitgeteilt, daß der Münchener Bildhauer als
Lehrer an die Unterrichtsanstalt des Berliner Kunstgewerbe-
Museums berufen worden ist, daß diese Ausstellung seiner
Einführung dient.

Rückhaltlos gratulieren zu der neuen Lehrkraft kann
man nicht. Scharff stellt sich in dieser Ausstellung vor
als ein Münchener Ateliertalent in Reinkultur und als ein
virtuoser Manierist. Er wird auch seine Schüler wahr-
scheinlich zu einer manieristischen Ateliervirtuosität erziehen,
wird ihnen das Elegante, ja Süße seiner „Monumentalität"
und das Schmissige seiner Technik mitteilen, ohne aber
das weitergeben zu können, was ihn persönlich auszeichnet:
den leicht und fein akzentuirenden Geist. Scharffs Arbeiten
sind plastisch ungefähr das, was die Arbeiten von E. R. Weiß
malerisch sind. Doch hat Weiß einen weiteren' Bildungs-
horizont. Scharffs Plastik gleitet ins Dekorative, ohne es
zu wollen; sie ist darum auch nicht architektonisch. Es
ist etwas vom Geiste Maillols (und auch Rodins) da, nur
ist er sozusagen ins Damenhafte geraten. Es bleibt diese
Kunst ja einheitlich in den Grenzen eines selbstgeschaffenen
Stils; doch entspringt die Einheitlichkeit nicht der Bändigung
einer Fülle, sondern einem Formalismus. Die Strenge ist
zum guten Teil Dürftigkeit. Um geschlossene Wirkungen
zu erzielen schlägt auch Scharff seinen Statuen oft die Arme
weg; und zu demselben Zweck zielt eine Technik, die über
alles Detail malerisch glättend dahinwischt. Es entsteht so
freilich ein großes Ganze; doch ist es weder groß noch
ganz. Am meisten zwingt Scharff zur Zustimmung, wo
man den Denk- und Arbeitsprozeß wie an einem Schema
verfolgen kann. Das ist der Fall vor den Kleinplastiken, in
denen das Kubische "zuweilen ganz lehrhaft dargestellt ist,
und vor den Reliefs, die mit allen Schikanen einer empfind-
samen Geschicklichkeit gemacht sind.

Am besten sind die Büsten. Vor der Natur eines be-
stimmten Menschenkopfes, der ähnlich werden und dessen
Geistigkeit ausgedrückt werden sollte, hat Scharff mehr Zucht
entfaltet. Die Porträtbüsten sind durchweg gut in ihren
Hauptverhältnissen gegeben, sie sind wirkungssicher, mit
einer pikant zuspitzenden Charakteristik durchmodelliert, sie
verraten einen nicht gewöhnlichen Sinn für die klare Ab-
grenzung der Form, und es ist ihre Oberfläche in der ge-
fälligsten Weise malerisch gemacht. Der Bildhauer erweist
sich hier in einem höchsten Sinne als das, was man in der
Dichtkunst einen Literaten nennen würde.

Das war im zweiten Stockwerk. Im ersten haben die
großen Franzosen den Hauptsaal räumen und nach hinten
retirieren müssen. Vielleicht dürfen sie sich nach dem Ruhr-
abenteuer wieder hervorwagen. An ihrer Stelle hängen jetzt
Bilder von Corinth. Neu erworben ist darunter eine wirkungs-
volle Landschaft vom Walchensee.

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