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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 22.1924

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Heft 3
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Friedländer, Max J.: Das neu erworbene Frauenporträt von Lucas Cranach im Kaiser-Friedrich-Museum
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Scheffler, Karl: Die Schwarzweiss-Ausstellung in der Akademie der Künste
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https://doi.org/10.11588/diglit.4654#0064

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und ungleichwertig, wie denn das Ganze nicht
von einem erfahrenen, systematisch schaffenden
Meister gestaltet, sondern der Natur in leidenschaft-
licher Hingebung mit raschem Griff entrissen ist.
Dementsprechend ist auch die Malweise gefühls-
mäßig bewegt, hier breit tuschend, dort scharf um-
reißend, im Fleisch aber glasig lasierend auf der
durchscheinenden flüchtigen blauen Zeichnung.

Stellen wir uns vor, was Dürer zu diesem
Bilde gesagt haben würde: den „Gebrauch" hätte er
in Ergriffenheit anerkannt, jegliche „Kunst" aber ver-

mißt. „Kunst" nämlich im Gegensatz zu „Gebrauch"
bedeutet in Dürers Sprache: Gestaltung aus Wissen
und Erkenntnis. Als nun Cranach, der um 1503
ein genialer Maler war, in Wittenberg eine Werk-
statt einrichtete und seine Form auf eine Formel
brachte, bedurfte er der „Kunst". Abgedrängt von der
Kraftquelle unmittelbarer Naturbeobachtung, konnte
er nur vorwärts schreiten auf dem Boden der Er-
kenntnis. Er aber speiste seinen kunstgewerblichenBe-
trieb mit Erinnerungen an Blickerlebnisse. Und diese
Erinnerungen wurden mit der Zeit immer blasser.

DIE SCHWARZWEISS-AUSSTELLUNG

IN DER AKADEMIE DER KÜNSTE

VON

KARL SCHEFFLER

Diese Herbstausstellung der Akademie ist wieder sorg-
fältig und zugleich mit einer gewissen Großzügigkeit
gemacht worden. Sie ist so gut, wie eine solche Ausstellung
heute sein kann. Überraschungen darf man nicht erwarten,
weil sich alle in bekannten Gleisen bewegen; was an echten
einheimischen Werten aber erreichbar war, ist zusammen-
getragen, gut gruppiert und geschmackvoll angeordnet
worden. Es zeigt sich so im Überblick, daß es in Deutsch-
land nur arrivierte Künstler gibt; selbst die jüngeren Zeichner
sind eigentlich schon anerkannt; man kann sich auch darauf
verlassen, daß sie sich nicht mehr viel verändern werden.
Dieses gibt der Ausstellung etwas Ruhiges und Ausgegli-
chenes. Die Gegensätze erscheinen einander angenähert.
Oberländer, der eben Gestorbene, den die Akademie durch
eine kleine Sonderausstellung ehrt, verträgt sich mit den
Expressionisten. Er ist sehr gut, und Liebermann ist auch
sehr gut; beide sind es aber in so zurückhaltender Weise,
daß sie den Lebensraum der andern nicht beeinträchtigen.
Die Alten fühlen sich den Jungen überlegen, sind dabei
aber duldsam und freundlich; die Jungen fühlen sich den
Alten überlegen, lassen sie aber gelten. So sind alle zu-
frieden, mit sich und den andern; und diese Zufriedenheit
überträgt sich auf das Publikum; man fühlt in der Ausstellung
wie bei einem Familienbesuch.

Die Oberländer-Wand wirkt auf jedermann, auf Künstler
und Laien. Die Besucher halten sich davor am längsten
auf. Der nach radikalen Tendenzurteilen angeblich längst
Erledigte erweist sich als äußerst lebendig; er feiert fröhlich
Auferstehung und gesellt sich damit jenen Künstlern zu,
die jeder Zeit etwas Neues, immer aber etwas bedeuten,
und die darum historisch werden. Liebermann hat in seiner
Eröffnungsrede in starken Worten von ihm gesprochen,
vielleicht in zu starken Worten; die Wertschätzung dieses
Meisters der romantischen Ironie wird aber jeder Kunstfreund
teilen, der große Form auch in der Witzblattzeichnung zu

sehen vermag. Schade ist, daß nicht einige der herrlichen
Naturstudien ausgestellt werden konnten.

Die große Wand in einem der hinteren Räume, die
neue und alte, sehr gut gewählte und gehängte Arbeiten
Liebermanns vereinigt, macht einen bedeutenden Eindruck.
Es werden die Radierungen des letzten Jahres gezeigt, die
in Wannsee entstandenen schönen Gartenpastelle und Zeich-
nungen, auf denen das Motiv des Enkelkindes mit der Wärterin
oft wiederkehrt. Die Wand enthält eine Ausstellung, eine
Welt, eine Kunst für sich. Man fühlt auch hier den Geist
der Geschichte.

Corinths Blätter, die ebenfalls eine Wand einnehmen,
wirken im Ensemble nicht so dekorativ stark, wie sie wirken
könnten und wie sie in der Berliner Sezession schon ge-
wirkt haben. Man vermißt eine verständnisvoll wählende
und ordnende Hand, die aus Aquarellen, Zeichnungen und
graphischen Arbeiten ein schönes Ganze zusammenzubauen
imstande gewesen wäre. Das reiche Material ist nicht
ins rechte Licht gesetzt.

Besser ist für Slevogt gesorgt worden. Von ihm sind
neue und alte Arbeiten in einem kleinen Kabinett vereinigt
worden: Aquarelle, die in diesem Jahr in Norderney ent-
standen sind und die den ganzen Reiz schneller, nach einer
Seite jedoch erschöpfender Reiseskizzen haben, Aquarelle
von der Trabrennbahn, prachtvolle farbige Zeichnungen
aus dem „Ali Baba", Lithographien zum „Königssohn, der
sich vor nichts fürchtet" und ältere Zeichnungen illustrativem
Charakters. Wie im Abglanz zeigt es sich, wie lebenserfahren
und doch heiter die Kunst Slevogts im Ganzen ist.

Auch Käthe Kollwitz zeigt neue Arbeiten in einem
eigenen Kabinett. Wieder erweist sie sich als eine charakter-
volle Künstlerin. Sie versteht es, sich selber treu zu sein
und mit Blättern neuer Art, mit Holzschnitten, dennoch eine
gewisse Sensation zu erregen. Oder ist dieser Zug zum
Sensationellen, hinter den Schleiern sozialen Mitleids, ein
 
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