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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 22.1924

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Heft 3
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Alten, Wilken von: Adolf Oberländer der Maler
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https://doi.org/10.11588/diglit.4654#0067

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der weiß, was er kann, der seine Grenzen respek-
tiert, und das durch sie abgesteckte Gebiet be
scheiden, aber nicht ohne Stolz bearbeitet. Das
Sichbescheiden, — Beweis von Klugheit und
Selbstkritik —, wäre schon ein nicht geringes und
ein künstlerisches Verdienst. Was aber Oberländer
zu einer besonderen und liebenswerten Erscheinung
macht, ist, daß er einer der wenigen deutschen
Maler gewesen, die Anmut haben, und daß Stil
und Handwerk bei ihm gleichen Kalibers mit dem
Vorwurf sind. Die Tatsache, daß er ein feiner
Humorist ist, die man gemeinhin als sein wesent-
liches und künstlerisch wichtigstes Charakteristikum
ansieht, teilt er mit vielen. Und Humor ist mit
Nichten ein künstlerisches Verdienst, oft im Gegen-
teil ein schlimmes Hindernis für die Reinheit der
künstlerischen Wirkung. Im Maler Oberländer
steckt etwas vom Dilettanten. Nicht, daß seine
Malerei dilettantisch wäre, aber das Malen war ihm,
der ganz zum Zeichner, zum Karikaturisten aus Be-
ruf geworden war, die Erholung neben der Arbeit,
die stille und sehnsüchtige Liebe seines Lebens.

Seine Bilder zeigen sozusagen zwei Stile: die
echte Malerei seiner Ölbilder und die kolorierte
Zeichnung eines Teiles seiner in Tempera, deren
leichte und heitere Art er liebte, gemalten Schöp-
fungen. Das malerische Handwerk erlernte er
in der Pilotyschule, die neben der Diezschen in
den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts,
in denen auch Oberländer ihr angehörte, den
Hauptanteil an der Ausbildung jener Malergenera-
tion beanspruchen darf, die schon durch die Höhe
ihres Niveaus eine Glanzzeit deutscher Malerei ge-
wesen ist. 1865, im Jahre seines Eintritts bei
Piloty, gelingt dem Zwanzigjährigen eine Leistung
wie das Bildnis Ludwig Correggios. Es ist ein
Stück solider Malerei und ein ausgezeichnetes Bild-
nis, dieser festaufgebaute Kopf, den die scharfe und
nervöse Linie des Mundes und die beobachtend
zusammengezogenen Augen etwas ungemein Per-
sönliches geben. Dann malt er etwa eine Wirts-
hausstube, mit spitzweghaften nur erheblich robuste-
ren Originalen bevölkert, in einem tonigen Hell-
dunkel, aus dem einzelne Farben stark hervor-
glühen. Man wird an Adrian Brower, aber auch
an die Ölstudien Wilhelm Büschs erinnert.

Was die Pilotyschule außer ihrem Malenkönnen
durch ihre gern verlachten Kompositionsaufgaben
nach „Unglücksfällen" lehren konnte, war das Auf-

bauen eines Bildes. Mochten auch meist recht
äußerliche und abgegriffene Mittel verwendet wer-
den, es war jedenfalls eine gute Schulung in der
wirkungsvollen Gliederung der Massen. Daß Ober-
länder es meisterhaft versteht ein Bild zu kompo-
nieren, verdankt er nicht zum Wenigsten diesem
akademiemäßigen Betriebe.

Der Zeit der Frühbilder folgt eine längere
Periode, in der die malerische Tätigkeit zugunsten
der Zeichnung in den Hintergrund tritt, um dann
im letzten Viertel seines Lebens wieder kräftig
durchzubrechen; namentlich, als er 1904 zum
Ehrenmitglied der Berliner Sezession ernannt wird,
beschickt er regelmäßig deren Ausstellungen.

Er malt Amoretten, die entsetzt vor Gänsen
fliehen, die neckisch ein Krokodil umspielen, oder
einen Löwen zähmen. Er liebt dieses mächtige
und furchtbare Geschöpf. Bringt es zu zarten
Kinderkörpern in Gegensatz. Zeigt wie sein kraft-
voller Leib ängstlich unter den Zaubersprüchen
eines alten Orientalen zusammensinkt, oder — auf
dem Bilde der Münchener Pinakothek — melan-
cholisch zu den Füßen des Einsiedlers kauert. Sein
romantisches Auge ' überrascht im Dickicht einen
kleinen Faun, der in träumerischem Behagen an
einer Traube schleckend am Fuße eines Baumes
ruht, auf dem ein Papagei aufgeregt mit den Flü-
geln schlägt. Kuh- und Schweineherden läßt er
breit und satt sich in weitgedehnten Landschaften
lagern, einen Bauern einen Ochsen zu Markte
treiben, dem er in seinem schmunzelnden und
stupiden Behagen verwandt erscheint. Oder er
gibt greise Eremiten, die in lieblich frühlingshaftem,
echt deutschem Walde inmitten spaßigen Getiers
— den Brüdern — ihr beschauliches Wesen trei-
ben. In solch einem Bilde, oder in dem einer
alten Bäuerin, die mit bösem Hexengesichte, aus
dem hauerartige Raffzähne ragen, einer gemäch-
lich vor ihr die Dorfstraße herunterflatternden Gans
nachhastet, steckt mehr Märchenstimmung, als
in einem ganzen Märchenzyklus Schwinds. Einige
seiner Schöpfungen, wie „Der Riese" von 1913,
oder die „Bäuerin mit den eierlegenden Hennen"
sind von echter Monumentalität. Wie hier der
mächtige Kopf der Frau einer Erscheinung gleich
auftaucht, das läßt unwillkürlich an Daumier den-
ken. Oberländer ist ein Romantiker, der seine
eigene Romantik schalkhaft belächelt. Man kann
seine Kunst weniger als die eines anderen vom

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