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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 22.1924

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Heft 3
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4654#0069

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UNSTAUSSTELLUNGEN

BREMEN

Am 4. November beging der Bremer
Kunstverein, der neben dem im selben
Jahre gegründeten Münchener Kunst-
verein der älteste in Deutschland ist, das Fest seines hundert-
jährigen Bestehens. Er beging die Feier produktiv in der
ihm gehörenden Kunsthalle, durch die Veranstaltung einer
Ausstellung von Kunstwerken aus bremischem Privatbesitz.
Das ist bezeichnend für seine Art zu wirken. Wenn über
Kunstvereine in den letzten Jahrzehnten mit Recht viel ge-
spottet worden ist, weil sie so oft ein Nährboden für das
künstlerisch Unbedeutende waren, weil zwischen Programm
und Tat fast immer ein Widerspruch klaffte, so trifft dieser
Spott den Kunstverein in Bremen nicht. Im Gegenteil, er
hat in vorbildlicher Weise gewirkt. Früh schon hat charakter-
volle private Sammeltätigkeit in Bremen den Grundstock für
eine öffentliche Sammlung bereitet, die heute zu den besten
in Deutschland gehört; die patrizierhaft denkenden Mitglieder
des Kunstvereins haben sodann Weitblick und Liberalität
genug gehabt, nach der Gründung einer öffentlichen Kunst-
sammlung und nach dem Bau der Kunsthalle, in Gustav
Pauli einen ausgezeichneten Leiter zu gewinnen und ihm
die Freiheit des Handelns zu lassen. Und als Pauli nach
Hamburg berufen wurde, haben sie den weiteren Aufbau
der Kunsthalle Emil Waldmann übertragen, der im selben
Geiste wie Pauli arbeitet und heute der allein verantwort-
liche Direktor einer Galerie vor allem moderner Kunst ist,
die als vorbildlich bezeichnet werden darf und die an
dieser Stelle ja ausführlich auch schon gewürdigt worden
ist (Jahrg. XXI S.255). In diesem Aufsatz ist auch näheres nach-
zulesen über das Verhältnis des Kunstvereins, als Besitzer
der Kunsthalle, zum Staat. Zur Feier des Jubiläums war
Gustav Pauli aus Hamburg gekommen; auch waren ehemalige
Assistenten der Kunsthalle und andere Museumsmänner,
die Bremen als Durchgangsstation benutzt haben, gekom-
men: Hartlaub aus Mannheim, Schäfer aus Köln und
Redslob aus Berlin.

Die Ausstellung von Kunstwerken aus bremischem
Privatbesitz füllten alle die für wechselnde Ausstellungen
reservierten Räume der Kunsthalle und einen Teil der
Galerie selbst bis zur letzten Wand. Sie ist ausgezeichnet.
Einige der Säle mit modernen Bildern waren so gut, daß
man nicht wußte, wo die Sammlung aufhörte und die
Ausstellung anfing: die Bilder haben das Gewicht galerie-
reifer Kunstwerke. Der Wert der Bilder kam um so
besser zur Geltung, als Waldmann, der ja einer unserer
besten Museumspraktiker ist, wirkungsvoll gehängt hatte.
Einige dieser Bilderwände wird man nicht wieder ver-
gessen. Der Raum, in dem Monets „Wärterin an der
Wiege" hing, würde in jeder Stadt der Welt Aufsehen
machen.

Sehr gut vertreten ist Delacroix in den bremischen
Privatsammlungen, auch Renoir ist mit frühen und späten
Bildern vorzüglich vertreten, Cezanne mit einer seiner

schönsten Landschaften und einem Stilleben, Courbet mit
Landschaften und wundervollen Blumenstücken, Daumier
mit der „Serenade", Constable mit einer hübschen kleinen
Landschaft, Corot mit einer reizenden römischen Ansicht,
Sisley mit einer herrlichen Flußlandschaft usw. Eine Selten-
heit ist ein sehr schönes Männerbildnis Menzels von 1852;
Liebermanns Bilder sind in Bremen mit feiner Einsicht,
Trübners Arbeiten mit besonderem kritischem Verständnis
und Qualitätssinn gesammelt worden. Die Ausstellung
zeigte daneben Bilder von Thoma und Schuch, von Marees,
Leibi, Corinth, A. v. Keller, Slevogt, Großmann und von
vielen anderen; und alles dieses ist mit kultiviertem Ver-
ständnis gewählt und einander angepaßt worden.

Reich sind die Privatsammlungen in Bremen auch an
Werken moderner Kleinplastik. Gaul, Kolbe, Haller, Fiori,
Edzard u. a. sind mit einer Anzahl ihrer glücklichsten Ar-
beiten zur Stelle.

Im Bereich der alten Bilder spürte man deutlich die
Nähe Hollands und die innere Verwandtschaft mit dem
Holländischen. Hervorragende Werke fehlen; doch sind,
innerhalb eines guten Niveaus, einige feine Werke von
Aert van der Neer, von Jakob Ruisdael, Willem van Aelst,
van Goyen, Claes Molenaer u. a. vorhanden. Unter den
italienischen Bildern glänzte ein Rundbild von Tioeolo fest-
lich auf.

Es gibt vielleicht keine zweite Stadt in Deutschland,
in der sich das Kunstleben so lebendig und doch auch so
in charaktervoller Selbstbeschränkung bewegt, keine, die,
im Verhältnis ihrer Einwohnerzahl, so reich ist an wert-
vollen Privatsammlungen, keine, wo ein Kunstverein so
schöpferisch zu arbeiten vermag, die eine grundsätzlich und
praktisch so gut aufgebaute Kunsthalle besitzt, und die
überhaupt in jeder Weise so sehr das richtige „Format"
hat. Aus all diesem geht hervor, daß der bremische Kunst-
verein ein Recht hatte, seinen hundertjährigen Geburtstag
sichtbar zu feiern. Seine Existenz ist vorbildlich, die Feier
hatte etwas Gleichnishaftes. Man findet einmal realisiert —
wie selten geschieht es doch! — was der vortreffliche
Paul de Lagarde so ausgedrückt hat: „Menschen müssen
wirken als seien sie Institutionen, Institutionen, als seien
sie Personen." K. Sch.

BERLI.N

Bei Goldschmidt und Wallerstein war im Oktober eine
Ausstellung von gut gewählten Aquarellen Kirchners zu
sehen. Lange ist Kirchner in Berlin dem Kunstpublikum
nicht so lebendig nahe gekommen, wie mit diesen durch
Problematik und Absicht wenig beschwerten Blättern.

Im November zeigte derselbe Kunstsalon Aquarelle von
Max Kaus und von Alfred Mahlau. Kaus hat sich Heckel
in einer freien Weise angeschlossen. Seine badenden Männer
und Frauen, im blauen Wasser sich spiegelnd, vor dunklen
Baumgruppen sich bewegend, haben etwas sehr Liebens-
würdiges, etwas Gefälliges. Noch stärker als an Arbeiten

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