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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 22.1924

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Heft 5
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Waldmann, Emil: Illustratoren-Phantasie bei der Arbeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.4654#0101

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ILLUSTRATOREN-PHANTASIE BEI DER ARBEIT

VON

EMIL WA LI) MANN

Max Slevogts „Lederstrumpf" gehört zu jener
kleinen Gruppe von Kunstwerken, die im
Oeuvre eines ganzen Künstlerlebens immer nur ein-
mal vorkommen und vor denen der Künstler nach-
her oft selbst nicht mehr begreift, wie es möglich
war, eine solche Riesenleistung hinzustellen. Denn
der „Lederstrumpf" ist sowohl an äußerem Um-
fange wie an innerer Leidenschaft durch die Fülle
der bewältigten Probleme eine Riesenleistung von
Ausnahmecharakter. Man darf sich durch die Tat-
sache nicht täuschen lassen, daß der ganze Reich-
tum der Kompositionen ursprünglich das Werk
einer einzigen Nacht war, enthalten in ein paar
Notizbüchern; daß der Künstler eines Abends,
nachdem er den Stoff geistig beherrschte und alle
die Bilder, die ihm beim Lesen aufgestiegen waren,
vor sich sah, anfing zu zeichnen, in rasender
Schnelligkeit, wie im Rausch oder Fieber, und daß
er den Stift nicht eher aus der Hand legte, bis
alles, jede Szene mit ein paar Bleistiftlinien hin-

geschrieben, dastand. Das war nur, wenn man
dergleichen überhaupt „nur" nennen kann, Kon-
zeption, allerdings schöpferische Konzeption. Die
künstlerische Arbeit mußte nun erst geschehen, in
Geduld, unendlicher Geduld, etwas, das Slevogts
Sache nicht so ohne weiteres zu sein scheint und
ihm dennoch, auf Höhepunkten seines Schaffens
auch zu Gebote steht. Monatelang, jahrelang immer
wieder die Improvisation lebendig erhalten, bei
jedem Blatt wieder von vorn anfangen, die Distanz
wahren, Empfindung, Auge und Hand immer
wieder naiv machen, auf die raffinierteste und ver-
schlagenste Weise manchmal naiv machen, und
dabei doch immer den Ton halten — dazu gehört
eine derartige Anspannung aller Geistes- und Phan-
tasiekräfte, ein solches Aufgebot alles künstlerischen
Wissens und alles handwerklichen Könnens, wie
es den Großen auch nur einmal im Leben mög-
lich ist. Eine Leistung von der Höhe der Holz-
schnitte zur Geschichte „Friedrichs des Großen"

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