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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 22.1924

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Heft 5
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Waldmann, Emil: Illustratoren-Phantasie bei der Arbeit
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Kluge, Kurt: Erzplastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4654#0104

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blick der Konzeption? Er schloß die Augen und
zauberte sich vor sein inneres Auge noch einmal
wieder das ganze Spiel von Farben und Lichtern.
Und als ers wußte, griff er zum Aquarellpinsel,
legte ein paar leichte Töne über das karge Schwarz-
Weiß, setzte ein paar bunte Effekte ein und fand,
daß das Ganze nun schon „ähnlicher" wirke. Und
dann vergaß er, daß er ja eigentlich graphisch
arbeiten wolle, er malte und malte immer weiter,
bis er die matte, durch den Umdruck entfettete
Zeichnung mit Wasserfarben und Deckweiß in
Grund und Boden gemalt hatte, so, daß man unter
der Farbe nur noch mit Mühe hie und da ein
wenig von dem schwarzen Kreidestrich entdecken
kann: eines seiner herrlichen, exotischen, aben-
teuerlichen Aquarelle war ihm unter der Hand
entstanden - ein Blatt, dem man die Illustration,
die Beziehung auf eine bestimmte Textstelle, nicht
so ohne weiteres ansehen würde.

Aber nun, wo er sein Gewissen mit Selbst-

kritik beruhigt und den Ton wiedergefunden hat,
arbeitet er dieses Malerische nicht in farbiges
atmosphärisches Schwarz-Weiß zurück und ersetzt
das verfehlte Blatt durch einen späteren „Zustand"

— sondern nun, wo seine Lithographenphantasie
wieder auf der Höhe ist, fängt er von vorne an,
denkt sich die Szene noch einmel aus, aber ganz
neu, ganz anders, in vollständig anderer Kompo-
sition, als Vollblatt in Hochformat, aber diesmal
direkt auf den Stein gezeichnet; und fügt sie dem
Buche ein. Sie hat das, was der ersten Fassung
fehlte, das malerische Singen und Klingen der
Töne, den landschaftlichen Licht- und Farben-
reichtum mit der reichen Instrumentierung der
Nuancen; mit dem Funkeln der tiefen Schatten
und dem Blitzen der Lichter, mit dem verwirren-
den Spiel der zahllosen Abstufungen zwischen
dem hellsten Weiß und dem dunkelsten Schwarz.

— Die Malerphantasie ist es, der bei Slevogt die
letzte graphische Schönheit ihr Leben verdankt.

ERZPLASTIK

VON

KURT KLUGE

Der Erzguß fängt beim Feuer an: dies ist das
Geheimnis der alten großen Metallbildhauer.
Die Wahrheit, daß Erz nur in der Hand bildsam
wird, die es sich gehorsam machte, ist so einfach
und so schwer erfüllbar, daß man versteht, wie
eine Zeit des handwerklichen Verfalls zuerst und
am tiefsten die Kunst der Erzplastik sinken läßt.

Das Gefühl für Erz als den fließenden Bildstoff
erwacht nur am Schmelzofen. Theoretisch kann
Handwerk nicht gelernt werden und der Bildhauer
vermag physikalische Vorgänge nicht intuitiv zu
erfassen: wie das rohe Metallkristall im brüder-
lichen Feuer sich auflöst, fließend nach bestimmten
Gesetzen eine Form erfüllt, erstarrt, und nun zwie-
fach, physikalisch und künstlerisch, wieder Kristall
geworden unter den sehenden und fühlenden In-
strumenten des ziselierenden Erzgießers Werk wird.

Dieses große Wunder ist im Sebaldusgrab offen-
bart wie nirgends sonst auf deutschem Boden. Es
gibt, auch von den Vischergießern selbst, viel bessere

Güsse und unvergleichlich viel reifere Ziselierungen
— aber blickt man aus der Nähe von oben in
die phantastische Bronzewildnis hinab, so hört
man, wie flackernd das Feuer niederfuhr und wild
sich überschneidende Hohlräume erfüllte. Dieses
Werk ward fließend. Die Form quillt. Ohne die
Schranken des gegebenen Holz- oder Steinblocks
schoß die Glut hemmungslos dorthin, wo die Phan-
tasie sie wollte. Die Gnade eines solchen Werkes
konnte sich nur in eine Bildhauerseele senken,
die mit Feuer getauft ward.

In unseren Tagen ist von einer künstlerischen
Erzgußtechnik im Sinne der Vischer oder Cellinis
kaum noch zu reden, denn Grundgedanke dieser
neuen Zeit ist, was den Verfall des wahrhaft
schöpferischen Erzgusses herbeiführte: das Prinzip
der unseligen Arbeitsteilung trennte den Künstler
von seinem Werk. Er ist nicht mehr schöpferischer
Handwerker, sondern eigentlich Unternehmer:
Erzwerke sind nur in Ausnahmefällen im eigent-

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