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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 22.1924

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Heft 5
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4654#0127

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CHRONIK

CURT HERRMANN
Am i. Februar ist Curt Herrmann siebzig Jahre alt ge-
worden. Anlaß genug, um auf diesen Berliner Maler
hinzuweisen, der einen ehrlich erworbenen Spezialisten-
ruhm in den neunziger Jahren freiwillig hat fahren lassen,
um sich experimentierend und pionierend den neuen Ideen
des Neo-Impressionismus hinzugeben, der seine bevorzugte
Stellung in der Berliner Sezession und in der Gesellschaft
niemals für sich mißbraucht, sondern immer benutzt hat,
um der Idee der Kunst zu dienen und um das Stilproblem
mitzustreiten (siehe sein Buch: „Der Kampf um den Stil",
Bruno Cassirer, Verlag). Herrmann ist Vorkämpfer gewesen
für Bonnard, van de Velde und Maurice Denis, für Matisse,
Signac, Cross und Seurat, er war einer der ersten, die van
Gogh und Gauguin sammelten, er hat stets für die Qualität
gekämpft und zuerst seinen eigenen Arbeiten gegenüber die
Qualitätsforderung gestellt. Mit seinem Pfunde hat er red-
lich gewuchert. Sein Lebensweg über die Schule bei Steffeck
in Berlin, über die Lindenschmitklasse in München nach
Berlin zurück, von der geschmackvollen Bildnis- und Stil-
lebenmalerei zum dekorativen Neo-Impressionismus der
letzten Jahrzehnte ist einfach, und umfaßt doch ein Stück
Zeitgeschichte. Der Gedanke an den rüstigen Siebziger
ruft wie von selbst lebendige Erinnerungen wach an das
schöne und reiche Kunstleben, das in Berlin zwischen 1890
und 1914 herrschte, das uns heute wie eine große Zeit bei-
nahe erscheint und woran Curt Herrmann immer tätig
Anteil genommen hat. Von diesem Kunstleben fällt ein
Glanz auch auf die Gestalt und das Leben Curt Herr-
manns.

K. Sch.

WILHELM STEINHAUSENf
A chtundsiebzigjährig ist Wilhelm Steinhausen nach langem
-tJ- Siechtum in Frankfurt a. M. gestorben. Er hat von
1863 — 66 an der Berliner Akademie studiert, lebte dann in
Karlsruhe, München und Italien und ließ sich 1874 in Frank-
furt a. M. nieder. Er hat viele Wandbilder, meist religiös-
kirchlichen Inhalts, ziemlich konventionell gemalt, und eine
lange Reihe von Staffeleibildern, die in das Gebiet der
romantischen Idylle gehören. Am nächsten verwandt ist seine
Kunst mit der Thomas. Doch ist sie weniger männlich fest
und bestimmt. Die frauenhaft empfindsame Natur Stein-
hausens war ganz lyrisch, sie war weich bis zum Sentimen-
talen. Der Künstler wirkt wie ein verspätetes Mitglied der
nazarenischen Bruderschaft. Ein sehr reiner Mensch kommt
überall zum Vorschein und ein sehr sauberer Künstler. Er
hielt an Kunstgesinnungen fest, die längst ihre Geltung ver-
loren haben; doch wußte er in das Unzeitgemäße immer so
viel von seinem liebenden Gemüt zu legen, daß man seine
Kunst auch in einer verwandelten Zeit mit Achtung, ja mit
Rührung grüßte, wo man ihr begegnete. Neuerdings wird
mit seiner Kunst leider tendenzvoll argumentiert, um das
Sonderrecht einer religiös mystischen Kunst zu erweisen.
Seine Kunst selbst erhebt so hohe Anforderungen nicht.
Sie hat sich still zurückgehalten und sich in dieser Stille
einen bescheidenen Platz in der Geschichte der modernen
deutschen Kunst erobert. Steinhausen wirkte jungfräulich
bis ins Greisenalter; zuweilen erklingt in seinen Dämme-
rungsbildern ein Ton von volksliedhafter Einfachheit und
Innigkeit. Um dessen, was er von seiner schönen Mensch-
lichkeit hat realisieren können, wird er von den Nachleben-
den auch weiterhin geliebt werden. K. Sch.

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