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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 22.1924

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Heft 8
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Scheffler, Karl: Breslauer Kunstschulwesen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4654#0243

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I.OVIS CORINTH, DER ALTE. 1891

AUSGESTELLT IN DER GALERIE CASPARI, MÜNCHEN

BRESLAUER KUNSTSCHULWESEN

T~~\as Zusammenlegen von Akademien und Kunstgewerbe-
'schulen wird überall aktuell. Von den Berliner Plänen
weiß man. Nun meldet sich Gropius in der Zeitungsöffent-
lichkeit mit der Behauptung, das Weimarer Bauhaus sei von
vornherein nichts anderes gewesen als eine Verschmelzung
von Akademie und Kunstgewerbeschule. Und aus Breslau
hört man, daß August Endell mit der Absicht umgeht,
seiner „Akademie für Kunst und Kunstgewerbe" die „Hand-
werker- und Kunstgewerbeschule" anzugliedern. Über das
nun plötzlich vielbesprochene Prinzip der Vereinheitlichung
des Unterrichts, über die Fragen: was ist Kunst? was ist
Kunstgewerbe oder Kunsthandwerk? was ist in beiden lern-
und lehibar? sind staatliche Akademien und Kunstgewerbe-
schulen überhaupt noch nötig? — über diese und andere
grundsätzliche Fragen ließe sich vieles sagen. Man könnte
ein Buch mit den Antworten füllen. Zunächst handelt es
sich hier aber um anderes. Das Entscheidende ist, daß diese
Zusammenlegung zweier Unterrichtsformen, dieser Abbau
als Aufbau, zurzeit das allein Mögliche ist, daß damit ein
Schritt vorwärts getan werden kann, daß aber alles darauf
ankommt, wie die Verwirklichung sein wird. Ideen sind
wohlfeil, die Ausführung ist alles. Von Gropius in Weimar
weiß man, daß er aus der Idee ein Zerrbild gemacht hat;
vom Kultusministerium und von dem künftigen Direktor
der vereinigten Akademie und Kunstgewerbeschule in Berlin
hofft man, daß sie, egozentrischen Gegnern im Lehrer-
kollegium und komischen Berserkern in der Presse zum Trotz,
die Aufgabe zwingen werden, obwohl man sich einer Be-
sorgnis nicht erwehren kann; von Endell in Breslau aber

hat man die Gewißheit, daß die Aufgabe in den besten
und reinsten Händen liegt. Ein lehrhaftes Naturell, eine
seltene Vereinigung von Denkkraft und sinnlicher Anschau-
ung, eine schöne Selbstlosigkeit der Sache zuliebe macht
diesen Mann besonders geeignet, die aktuelle Idee zu ver-
wirklichen und ein Beispiel zu geben. Die Experimente,
die er in dem fernen östlichen Winkel Deutschlands macht,
werden der deutschen Allgemeinheit zugute kommen.

Aus dem Namen der Schule, die Endell in Breslau
leitet, geht hervor, daß sie von jeher schon Kunst und
Kunsthandwerk vereinigt hat. Sie untersteht dem Kultus-
ministerium und heißt Akademie für Kunst und Kunstge-
werbe. Vor Endell" war Poelzig Direktor. In den letzten
Jahren sind Maler wie von Kardorff, Moll und Otto Müller
als Lehrer berufen worden. Und Endell selbst leitet die
kunsthandwerklichen Klassen. Warum neben dieser Anstalt
noch eine Handwerker- und Kunstgewerbeschule besteht,
eine Schule, die obendrein akademisch eingestellt ist, wird
erst begriffen, wenn man erfährt, daß diese Schule halb
der Stadt und halb dem preußischen Handelsministerium
untersteht, und wenn man sich erinnert, daß Ressortzustän-
digkeit in deutschen Landen das Verkehrteste möglich macht.
Der Plan Endells geht, wie man hört, dahin, beide Schulen
zu vereinigen und das Wort Kunstgewerbe durch das Wort
Kunsthandwerk zu ersetzen. Das ist bei ihm mehr als ein
Spielen mit Worten, es spricht sich darin die Uberzeugung
aus, daß es mit dem sogenannten Kunstgewerbe, mit der
Kunstfabrik und mit dem sie künstlerisch speisenden Kunst-
gewerbezeichner in Deutschland auf lange Zeit übel bestellt

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