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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 22.1924

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Heft 8
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Scheffler, Karl: Breslauer Kunstschulwesen
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4654#0244

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sein wird, daß das bescheidenere und gründlichere Kunst-
handwerk dagegen Zukunftsmöglichkeiten hat, und daß es
eine ganz andere Ausbildung voraussetzt als das industriell
betonte Kunstgewerbe. Der Breslauer Kunstunterrichtsplan
zielt dahin, aus der Handwerkerschule die dort schon be-
stehenden Werkstätten zu übernehmen, soweit sie mit dem
Kunsthandwerk zu tun haben, also zum Beispiel die Werk-
stätten für Töpferei, Glasschnitt, Buchbinderei und Kunst-
schmiedearbeit und diese Werkstätten den an der Akademie
bereits bestehenden Werkstätten ähnlicher Art anzuglie-
dern. Es sollen weiterhin Schüler, die Zeichner der Kunst-
industrie werden wollen, grundsätzlich nicht aulgenommen
werden. Alle Schüler sollen einer strengen Aufnahme-
prüfung unterworfen werden. Doch soll allein nach dem
Talent und nach der Leistung gefragt werden; im beson-
deren soll die für Architekten noch geltende törichte For-
derung nach dem Abiturientenexamen im Bereich der Aka-
demie aufgehoben werden. Uberhaupt verraten vor allem
die Vorschläge, wie der Architekt erzogen werden soll, die
Einsicht eines praktischen Architekten, der sich in saurer

Arbeit selbst zum Baumeister erzogen hat und es weiß, daß
der Architekturzögling .ganz verschiedene Wege gehen muß,
wenn er sich selber oder wenn er dem Auftraggeber die Wir-
kung eines Bauwerks klar machen will. Man erfährt aus den
Breslauer Plänen, daß Endeil mit vollem Recht nichts wissen
will von dem System vieler unserer Kunstgewerbeschulen, vor
allem an die Öffentlichkeit, an die Presse, an die Wirkung
nach außen zu denken und zuletzt erst zu fragen: wie wirkt
der Unterricht auf den Schüler und welche nicht reklame-
haften, ja nicht einmal sichtbaren Erfolge werden er-
zielt ?

Wenn es in Breslau gelingt, die Vereinigung der beiden
Schulen im Geiste der Absicht zu vollziehen, so wird im
kleinen Maßstabe ein Vorbild geschaffen sein, das überall,
den andersgearteten Verhältnissen entsprechend, abgewan-
delt werden kann. Vielleicht ist es nützlich, wenn man
von vornherein in Berlin Fühlung nimmt mit Breslau und
die Erfahrungen austauscht. Denn es kommt, wie gesagt,
alles auf die Ausführung einer an sich zeitgemäßen Idee an.

Karl Scheffler.

UNSTAUSSTELLUNGEN

BERLIN

An drei Stellen waren im März Aus-
stellungen von Zeichnungen und Gra-
phiken zu sehen, die einen gewissen
Museum.scharakter hatten: bei Reiß und Krüger, im Künstler-
haus und bei Amsler & Ruthardt. Die Ausstellung bei Reiß
und Krüger griff bis ins Rokoko zurück, zeigte im wesent-
lichen aber Arbeiten deutscher Romantiker. Sie war sorg-
fältig gemacht, reinlich gehängt, von Paul Ferd. Schmidt
gut katalogisiert und wurde in einem sehr angenehmen
neuen Ausstellungsraum im Hause Wichmannstraße 10 ge-
zeigt. Das Niveau war gut, doch fehlte es an Arbeiten
von persönlichem Gewicht. Der Geschichtsfreund fand
mehr Material als der Kunstfreund.

Im Künstlerhaus waren Zeichnungen älterer Berliner
Künstler zu sehen. Ein paar Bildniszeichnungen von Franz
Krüger, Kleinigkeiten von Hosemann, ein weniges von
Steffeck und Brendel, ein paar Landschaftszeichnungen von
Hertel und, vor allem, einige Blätter von Menzel — darunter
als schönstes die 1852 entstandenen Bleistiftzeichnungen des
Geburtshauses von Mozart und einer Kirche in Salzburg.

Die Ausstellung bei Amsler & Ruthardt war international.
Sie enthielt zum größten Teil Blätter aus der zweiten Hälfte
des neunzehnten Jahrhunderts. Unter vielem Mittelgut sah
man einige schöne und seltene Arbeiten: eine Londoner
Straße von Muirhead Bcne, eine Flußlandschaft von Jong-
kind, eine corotartige Landschaftszeichnung von Harpignies,
gezeichnete Karikaturen von Hodler und von Wilhelm Busch.
Ludwig Richter war mit einer für ihn merkwürdig freien
Zeichnung vertreten, Graff mit der lebendigen Bildnisstudie
eines Frauenkopfes; ein repräsentatives Blatt von Feuerbach
ließ dagegen kalt. Von Menzel waren nur späte Zeichnungen

da; den stärksten Eindruck machte die reiche Schwarz-weiß-
Wirkung eines Holzplatzes. Von Pissarro war eine besonders
schöne Landschaftszeichnung mit zwei Figuren ausgestellt,
von Monet eine mit sinnlichem Temperament hingeschrie-
bene Marine. Uber alles glänzte eine Landschaftszeichnung
Liebermanns, eine holländische Straße, hinweg. Man er-
kannte im Vergleich wieder einmal seinen hohen Rang.

Die Galerie A. Flechtheim zeigte in den letzten Wochen
Werke guter französischer Kunst. Eine Straße zur Karnevals-
zeit in Nizza, links oben zwei unendlich geschmackvoll gemalte
Frauen auf einem Balkon, gehört zum Reifsten und Leich-
testen, was Matisse in Deutschland jemals gezeigt hat. Von
Pascin, dem in Paris lebenden, in Amerika naturalisierten,
von spanisch-jüdischen Eltern abstammenden Rumänen, der
wohl der französischen Kunst zugerechnet werden muß,
lernte man neue Arbeiten kennen: das mit nachlässiger
Delikatesse gemalte Bild eines Mädchens und einige aus
Naturbeobachtung und Kunsterinnerungen merkwürdig zu-
sammengewachsene Radierungen. Die Halbfigur einer Frau
von Picasso, eine Grisaille, machte in ihrer statuarischen
Strenge — es ist die Formenstrenge eines sich fanatisierenden
weichen Menschen — nachhaltigen Eindruck, obwohl die
im Verhältnis zum Kopf riesigen Hände fast karikaturmäßig
wirken. Eine Ausstellung wie die im April von Bildern
französischer Meister haben wir lange nicht in Berlin ge-
sehen. Von Courbet bis Toulouse-Lautrec waren die großen
französischen Maler fast alle mit eindrucksvollen Werken
zur Stelle: Courbet mit einem vespernden Arbeiter, Manet
mit einem Bildnis und einem Pastell, Monet, Pissarro und
Sisley mit Landschaften, Degas mit einem Rückenakt und
schönen Zeichnungen, Renoir mit einem Frauenbildnis und
mehreren kleinen Landschaften, Lautrec mit einem Paar
im Theater. Es wehte einen einmal wieder die Luft des

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