Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 22.1924

DOI Heft:
Heft 9
DOI Artikel:
Hartlaub, Gustav Friedrich: "Klassisches" aus Altamerika
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4654#0266

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ALTPERUANISCHE TONGEFÄSSE

IN DER AUSSTELLUNG DER MANNHEIMER KUNSTHALLE

„KLASSISCHES" AUS ALTAMERIKA

VON

G. F. H A R T L A U B

I

Man ist gewohnt, bei jenen Natur- und Kultur-
völkern, die man mit einem vagen Sammel-
begriff „exotisch" nennt, eine Kunst zu finden, die
nicht nur in manchem an unsere eigenen primitiven
Kunstanfänge in der vor- und frühgeschichtlichen
Zeit gemahnt, sondern auch, was auffälliger ist, in
vielen Zügen mit unsern überreifsten „barocken"
Spätformen übereinstimmt. Die Bauten, wie sie die
Seefahrer und Konquistadoren der Renaissance in
den Wunderländern Altamerikas anstaunten, die
malerisch - plastischen Gesamtkunstwerke Indiens
und Ostasiens nahmen sogar in allem, was das
Dekorative in weitestem Sinne angeht, Lösungen
vorweg, denen man damals im Abendland erst zu-
zustreben begann. Wahrscheinlich ist nicht erst

Anmerkung der Redaktion: Alle Abbildungen stam-
men aus einer Ausstellung der Mannheimer Kunsthalle.

das Rokoko ostasiatisch beeinflußt, sondern sind
schon die in der Spätrenaissance aufkeimenden
Formkräfte durch die Bekanntschaft mit indischer
und amerikanischer Tropenkunst angeregt worden
— ohne daß überall so direkte Einflüsse nachweis-
bar wären, wie etwa in Portugal.

Andererseits hatte das Abendland - man braucht
nur an die Malerei mit ihrer wissenschaftlichen Per-
spektive und Schattenkonstruktion, mit ihrer Ol-
technik, ihrer Beobachtung farbiger Reflexe, ihrer
Kenntnis der Anatomie und an vieles andere zu er-
innern — schon am Ende des Mittelalters zahlreiche
Errungenschaften gemacht, die dem Orient und den
beiden Amerika fremd blieben. Auch hatte es durch
das neu angetretene Erbe des antiken Schönheits-
kanons viel über die ästhetisch mögliche Anwen-
dung jener Mittel gelernt. So war zu Beginn des
sechzehnten Jahrhunderts eine abendländische Kunst

252
 
Annotationen